Fastnacht
Keyword: Fastnacht
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Definition: Die Fastnacht (zu althochdeutsch fasta »Fasten (zeit)« und naht »Vorabend«) wird auch als fünfte Jahreszeit bezeichnet. Die Herkunft des Wortes Fastnacht ist nicht eindeutig geklärt, eine Deutung sieht Fastnacht als Zeit (ursprünglich Nacht) vor der Fastenzeit. Es ist die mit vielen Bräuchen verbundene Zeit der Ausgelassenheit, Sinnlichkeit und Lebensfreude vor Beginn der österlichen Fastenzeit.
Information: Fastnacht beginnt am Dreikönigstag oder am 11. 11. um 11. 11 Uhr und endet am Aschermittwoch (40 Tage vor Ostern). Ihren Höhepunkt hat sie in der eigentlichen Fastnachtswoche zwischen Weiberfastnacht und Fastnachtsdienstag mit Veranstaltungen, Umzügen und Verkleidungen.
Viele Fastnachtsbräuche gehen auf Fruchtbarkeitszauber zurück. Es handelt sich dabei zur Zeit des beginnenden Frühlings um eine symbolische Erweckung der Natur. Durch das Fastnachtstreiben sollen die bösen Geister durch schreckhafte Masken und Lärm vertrieben und die guten dienstbar gemacht werden. Das Tragen von Masken in den Kulten von Dionysos, die Welt der Satyrn, der antiken Rauschfeste, sind die Vorläufer. Seit dem 15. Jh. hatte die Fastnacht eine bedeutsame Ventilfunktion im Widerstand gegen kirchliche Institutionen, vor allem in den Rosenmontagsumzügen haben sich zeitkritische Elemente erhalten. Bereits im 15. Jh. entwickelte sich ein Maskenbrauchtum, der Narr wurde zur Zentralfigur der Fastnacht. Während der Barockzeit blühte die Fastnacht als Kostümfest an den Fürstenhöfen auf.
Die Fastnachtsmasken können sowohl Dämonen darstellen als auch zu ihrer Vertreibung bestimmt sein. Durch schreckhaftes Aussehen und übergroßen Lärm sucht man sich einerseits zu "desensibilisieren", d. h. die Angst vor den inneren und äußeren Dämonen zu bändigen und gleichzeitig die bösen Geister selbst zu erschrecken und abzuwehren.
Interpretation: Unter der Perspektive der Analytischen Psychologie handelt es sich bei dem närrischen Fastnachtstreiben um ein - im relativ gesicherten Rahmen einer feststehenden Zeit und kollektiver Regelungen - Zulassen und Ausleben archaischer, archetypischer Energien des kollektiven Unbewussten, die unter dem Druck gesellschaftlicher Anpassungsforderungen üblicherweise nicht frei gelebt werden können. Insbesondere handelt es sich natürlich um Trieb- und Schattenqualitäten, die hier - hinter einer schützenden Maske und Verkleidung - zum Ausdruck gebracht werden dürfen.
Beispielsweise werden in der Basler Fastnacht alle mittelalterlichen Dämonen der schweizerischen, in der Kölner Fastnacht vermutlich der rheinischen kollektiven Hintergründe sichtbar. Die angepasste Persönlichkeit (Persona) verschwindet hinter den Inhalten des kollektiven Unbewussten, sie hat keine Verantwortung mehr zu tragen und sie darf ihre inneren Dämonen (Komplexe) freilassen. Die natürliche Ordnung der Dinge wird auf den Kopf gestellt, die heiligsten Rituale werden in obszöner Weise parodiert; Würdenträger von Kirche und Staat werden lächerlich gemacht und es ist erlaubt, unterdrückte Feindschaft, Lust und Rebellion zu zeigen. Der Elferrat bildet eine Gegenregierung, der Rathausschlüssel wird den Narren übergeben und in der Weiberfastnacht werden die Herren symbolisch depotenziert, indem in ihre Schlipse abgeschnitten werden.
Varianten dieser Freilassung unserer dämonischen Unterwelt finden wir heute auch in «Halloween», zu Silvester, am ersten April, im Zirkus, in der Love-Parade, Rodeos, den Rockfestivals und großen Sportereignissen, Umzügen und Events.
Literatur: Standard
Autor: Müller, Lutz