Alt

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Keyword: Alt

Links: Abend, Abschied, Tod, Saturn, Weise, alte Weiser, alter Weisheit

Definition: Alt, Alter (indogerm. al: wachsen, wachsen machen, nähren; also eigentlich aufgewachsen, gewachsen sein) ist als Adjektiv eine Zeitangabe und steht im Gegensatz zu jung oder auch zu neu, ungebraucht. Übertragen steht es auch für Zeit der Reife, Zeit der Ernte und für einen hohen Wert, den man gerne erringen möchte.

Information: Alte Meister sind begehrte Gemälde, das Alterswerk des schöpferischen Menschen ist von besonderer Tiefe oder auch besonderer Höhepunkt. Die Doppelbedeutung des mit alt verwandten lateinischen Wortes altus (abgeleitet von alere: nähren) als tief und hoch weist auf den paradoxen Aspekt des Alters oder des Alt-Seins.

Interpretation: Alte Gegenstände können antik und wertvoll sein, aber auch nicht mehr neu, gebraucht, abgenutzt. Altes kann schön und wertvoll sein, voller Erinnerungen; es kann ebenso verblassen, festhalten, binden, erdrücken. Für Altes schwärmen, nostalgisch sein, kann auf regressives Verhalten, Verklären vergangenen Lebens und Rückzug aus der Aktualität weisen und darauf, dass man etwas nicht lassen kann. Antiquitäten können Bild für Antiquiertes, Veraltetes sein. Sie zu sammeln, kann bedeuten, dass man etwas nicht loslassen kann. Altes Essen ist nicht mehr frisch bzw. verdorben. Altes kann Spuren hinterlassen, Tradition haben und bewährt sein, oder langweilig, überholt, festgefahren, nicht mehr zu ändern (der oder die Alte sein; alte Form zurückgewinnen, den alten Gang gehen, alles beim Alten lassen; altes Denken, alter Witz, alter Geizhals u. v. m).

Biblisches, gesegnetes Alter verbindet sich mit Weisheit, Gelassenheit, Abgeklärtheit, Reife, Ehrwürdigkeit, Ansehen. Hohes Alter, Greisenalter ist auch Zerbrechlichkeit, Verfall, Vergangenheit, Starre, Depression und Lebensmüdigkeit, Senilität, Tor- oder Narrheit: "Alter schützt vor Torheit nicht". Alt sein, heißt Gefahren überlebt, Erfahrungen gesammelt, Distanz gewonnen zu haben. Zentrale Positionen in Organisationen bedürfen großer Erfahrung und sind erst im Laufe des Älterwerdens erreichbar. Man gehört zu den Ältesten, ist geachteter Altmeister oder Senior. – vgl. auch Monsignore, ital. gnädiger Herr; Euer Gnaden, Euer Hochwürden. Dieser Aspekt symbolisiert sich auch in weißem oder grauem Haar. Sprichwörtlich soll man das Alter ehren. Alt und grau oder steinalt werden, um etwas zu erreichen, möchte man hingegen nicht. Altklugheit ist keine geschätzte Eigenschaft, zu den Älteren zu gehören, kann auch bedeuten, zum alten Eisen zu gehören. Die Älteren müssen ihre Machtpositionen wieder verlassen.

Biologisch-physiologisches, soziales und psychisches Lebendigsein, jedes lebendige System, jede lebendige Organisations- und Lebensform bedarf eines ausgewogenen Wechselspiels von Anfang, Offenheit, Wachstum der Jugend und zugleich formender, erfahrener und auch be- und einschränkender Strukturierung durch Werte, Gesetze und Traditionen des Alters. Alte Tradition, Struktur, Werte, Gesetz, Würde und Wissen werden von vertrauter, strukturierender, schützender, fördernder und tragender positiver Gewohnheit zum Gefängnis, werden kalt, unmenschlich, lebensfeindlich, wenn keine Veränderung mehr stattfindet.

In solchen Situationen kann "Vatermord" die zwingende Konsequenz sein. Dieses von Freud und E. Neumann beschriebene Motiv erscheint häufig in Fantasien, Imaginationen und Träumen und weist auf die entsprechende psychische Dynamik und Notwendigkeit, mit alten, überichhaften Aspekten konfrontierend umzugehen und einen Wandel einzuleiten. Eine mythologische Gestalt des ebenso fruchtbaren wie tötenden Ewig-Alten ist Saturn bzw. Kronos, zugleich Gott des Ackerbaus wie Vatertöter und Verschlinger der eigenen Kinder.

Literarisch in seiner Ambivalenz aufgegriffen ist der Saturn-Aspekt des Alters z. B. in verschiedenen Figuren von M. Endes Roman "Die unendliche Geschichte", u. a. der Alte vom wandernden Berg, die Kindliche Kaiserin, die uralte Morla. In Gegenwart eines Senex – archetypisches Bild für den starren Saturnaspekt -, möchte man nicht alt werden (d. h. nicht bleiben), kann man nicht wachsen. Wo es um alt, Altes und Alte geht, ist psychisch immer zugleich die Ambivalenz des Alten, des Senex, wie das archetypische Bild auch genannt wird, spürbar. Der Senex bedarf des Puer, d. h. der Kompensation durch das Neue und Junge.

Alte, bejahrte Menschen, haben – besonders in Zeiten einer Überbewertung des Jung-Seins in den letzten Jahrzehnten des 20. und des beginnenden 21. Jh.s - hohes Interesse, nicht altbacken, altmodisch, veraltet zu sein und nicht alt auszusehen. Sie möchten jugendlich wirken, auf dem Laufenden und nicht inkompetent, senil oder gar überflüssig sein. Greisenhaft, veraltet, überholt oder überlebt sein, ist für die meisten Menschen eine Angstvorstellung und das sog. mittlere Alter ist deswegen häufig ein schwieriger, kritischer, gefährlicher Lebensabschnitt. C. G. Jung spricht von der Krise der Lebensmitte und sieht in ihr eine Chance für den Individuationsprozess und die Hinwendung zum Selbst, zur Selbstwerdung. Alte Weise in Märchen stehen für im Laufe eines individuellen Lebens gesammeltes und gleichzeitig uralt-archetypisches, zeit- und altersloses, ewiges Wissen. Sie können, wenn sie als Traumfiguren auftauchen, das Selbst von Mann bzw. Frau verkörpern. Das Selbst als Vereinigung der Gegensätze verbindet Einmaliges und Individuelles mit Ewigem und Allgemeinem (vgl. GW 12, § 22). Alte Weise sind uralt und ewig jung zugleich.

Literatur: Standard

Autor: Müller, Anette