Abschied
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Definition: Abschied (ab von grch. Apo, lat ab, ahd aba "von…weg, von…hinab", -schied von scheiden ahd sceidan, skeidan), bezeichnet zunächst allgemein das "sich Trennen von jemandem/etwas".
Information: Abschied benennt sowohl die Trennung und das Lebewohl von anderen Menschen, einem Ort oder einem Gegenstand, aber auch die Entlassung aus einem bestimmten Stand z. B. dem Militärdienst (den Abschied nehmen). Dabei verabschiedet sich der Mensch nur von jemandem/etwas, was ihm bedeutungsvoll ist.
Interpretation: Der Abschied kennt viele Symbole, er kann als Ursprungssituation des Symbols verstanden werden. Der Abschied symbolisiert sich zunächst im "Abschiedsgruß" ("Abschiedstrunk", "Abschiedskuß", "Abschiedsworte", "Abschiedsrede", "Winken"), in welchem das Versprechen des Wiedererkennens gegeben ist. Der "Abschiedsgruß" setzt sich bis in das Schenken von bedeutungsvollen ("persönlichen") Gegenständen zum Abschied fort.
Die Bedeutung dieser Gegenstände ist die Beziehung selbst. Sie können Tauschritual gegenseitiger Versicherung von Verbundenheit (Austauch von Gegenständen mit der Bitte, auf sie zu achten und/oder sie wieder mitzubringen) oder glücksbringender Beweis des Aneinanderdenkens (die "guten Wünsche", die Wegzehrung, der Talisman) sein, in jedem Fall symbolisieren sie die Art und Weise der Beziehung.
Im antiken Griechenland ist das "symbolon" (grch., Erkennungszeichen) die in zwei Teile zerrissene Marke, mit der Gastgeber und Gastfreund sich für später füreinander identifizierbar machen. Besonders am "symbolon" wird der Verweis des Symbols auf das Zusammenfügen deutlich. Zum Abschied geschenkte Symbole verbleiben als ein Teil vom Gebenden beim Empfänger und umgekehrt.
Dieses "alter ego"-Motiv verweist darauf, dass Symbole des Abschieds auch Symbole der Begrüßung und des Wiederbeginns sein können. In diesem Sinn kann heutzutage alles zum Symbol werden, da es aus der Beziehung selbst heraus erwächst. Dies reicht vom "schiefen Turm von Pisa in der Schneekugel" als Reiseandenken bis zum Werfen von Unterwäsche auf die Bühne des Popstars zum Ende des Konzerts, von Autogrammkarten am Ende der Veranstaltung bis zum ungewaschenen Trikot des verehrten Sportlers nach dem Sportereignis. Das Symbol verweist rückblickend auf ein zurückliegendes Geschehen und Ereignis bzw. eine (vorübergehend) unterbrochene Beziehung, dessen Einmaligkeit/Vergangenheit im Symbol und dem darin versprochenen Wiedererkennen aufgehoben erscheint. Hierin steckt die unauflösliche Heterogenität des Symbols als es selbst: alle Symbole implizieren den Abschied von dem, was sie symbolisieren – worin sie zugleich dessen Wiederbeginn bzw. dessen Wiederaufleben versprechen.
Ein aktuelles Beispiel dieser Heterogenität ist die Berliner Mauer: bereits in ihrer Bauzeit symbolisierte dieser scheinbar endgültige Abschied von Ost- und West-Berlin das Versprechen ihrer Wiedervereinigung. Seit der Wiedervereinigung symbolisiert die Berliner Mauer als "Symbol der Trennung" deshalb in einzigartiger Weise die Vereinigung von Ost- und Westdeutschland. Ihr erneuter "symbolischer" Wiederaufbau kann insofern als Nachweis wirklich erfolgender Vereinigung verstanden werden.
Literatur: Standard
Autor: Schlimme, Jann