Rausch: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 19. Oktober 2023, 16:51 Uhr
Keyword: Rausch
Links: Alkohol, Blut, Drogen, Fastnacht, Rausch, Ekstase, Gesang, Jenseits, Musik, Pan, Tanz, Trance, Sehnsucht, Sexualität, Sinn, Wein
Definition: Der Begriff des Rausches (mhd. das Rauschen, rauschende Bewegung, rückgeb. aus rauschen) wird ambivalent verwendet, negativ, wenn er einen z. B. durch Genuss von zu viel Alkohol, von Drogen oder anderem Suchtmaterial hervorgerufenen Zustand bezeichnet, in dem eine mehr oder weniger starke Chaotisierung und Desorientierung eintritt, positiver, wenn ein übersteigerter ekstatischer Zustand, ein intensives Glücksgefühl, das jemanden über seine normale Gefühlslage hinaushebt, gemeint ist.
Information: Der Rausch wird von den Religionen unterschiedlich bewertet: Hochreligionen (z. B. Buddhismus, Zoroastrismus, Judentum, Christentum, Islam) verwerfen den Rausch-Trank als Hilfsmittel für religiöse Erfahrungen. In der Begegnung Elias mit den Baalspropheten auf dem Karmel (1. Kön. 18) ist Elia der Nüchterne, während diese in Raserei geraten, und in der Pfingstgeschichte (Apg. 2, 13) verwechseln Unwissende die vom heiligen Geist Erfüllten mit Betrunkenen. Früharchaische Religiosität urteilte anders: Der Rausch schuf Kontakt zum Jenseits. Man brauchte den Rausch um zum Göttlichen durchdringen und den Alltag vergessen zu können. Berauschende früharchaische Kollektivfeste (Dionysos, Pan) dienten der Psychohygiene, der Stabilität des Einzelnen wie des Gemeinwesens.
Interpretation: Tiefenpsychologisch entpuppt sich das im früharchaischen Rausch Erlebte nicht als metaphysische, sondern als psychische Erfahrung, in der dem Unbewussten begegnet werden konnte. Damit das Öffnen der Ventile nicht im Chaos endete, war die Festordnung genau geregelt. Nächtelang wurde getrommelt und getanzt, „gedrögelt“ und gesoffen, sexuell ausgeschweift oder gar im Blut gesuhlt. Doch nach dem Fest herrschte wieder ein streng geregeltes Leben. In der modernen Gesellschaft, wo Staat und Religion getrennt sind, müssen Psychohygiene und Selbstfindung individuell gestaltet werden.
Die Rituale der Hochreligionen sprechen nur den oberen Teil des Menschen an: Sie versprechen individuelle, höhere Erkenntnis und Erleuchtung, aber nicht mehr dunkle, erdverhaftete, oft auch blutige, kollektive Ekstase. Ihre Spiritualität ist nicht mehr geerdet; sie hat nichts mehr mit Spirituosen zu tun. Und der religiöse Gesang? Einst riss er die Menschen mit und ließ sie alles vergessen! Wer kann noch singen? Tanzen? Sex? Alles glanzlos, gottlos geworden! Wer es nicht schafft, seinen Schatten individuell zu integrieren und den Kontakt zu seinem Seelengrund persönlich bewusst zu gestalten, erhält in der modernen Gesellschaft psychisch Probleme. Das Leben ist anspruchsvoll geworden! Nicht umsonst gehören zum Bild einer modernen City herumhängende Drogenabhängige, die nicht wissen, was ihnen fehlt. Diese Fehlende könnte nicht nur ein gesellschaftlich erwünschter Erwerb- und Lebenssinn sein, sondern auch die unerfüllte Sehnsucht nach intensiver, ekstatischer Erfahrung durch Begegnung mit motivierenden unbewussten Inhalten.
Literatur: Standard
Autor: Kaufmann, Rolf