Träne
Keyword: Träne
Links: Auge, Emotionen, Freude, Trauer, Wasser
Definition: Tränen werden in den Tränendrüsen produziert und bestehen aus einer klaren, alkalischen, leicht salzig schmeckenden Flüssigkeit, mit geringem Proteingehalt.“
Information: Die Tränenflüssigkeit dient dem Auge zur Befeuchtung und Reinigung. Auslöser für den Tränenfluss können jedoch häufig emotionale, psychische Vorgänge sein. Wir sprechen deshalb von bitteren, salzigen, heißen Tränen bei besonders schmerzlichem Betroffensein oder übermäßig heftigen, starken Stimmungen und Gefühlen, die „in Tränen ausbrechen“ lassen. Die entsprechenden emotionalen Reaktionen finden in Worten wie Tränen der Trauer, Freudentränen, Tränen der Rührung, Tränen der Wut, Scham u. v. a. ihren Niederschlag.
Interpretation: „Tränenreiche Erfahrungen“ sind in der Bibel, in Märchen, Mythen und Sagen unendlich zahlreich zu finden, oft eingebunden in Themen der Verlassenheit oder bei erlebtem Trost in Bedrängnis. In solchen Zusammenhängen stehen auch Geschichten, die die Heilkraft des Weinens betonen (Blinde werden durch Tränen geheilt, z. B. im Grimmschen Märchen „Rapunzel“ (Grimm Nr. 12), oder durch Tränen „vergiftet“: „Mich hat das unglückselg'e Weib vergiftet mit ihren Tränen“ (Heinrich Heine).
Das Sammeln von Tränen in einem Tränenkrüglein bei der Trauer um einen Verstorbenen ist ein häufiges Märchenmotiv, oft auch, dass Tote nicht zur Ruhe kommen oder ihr Hemd immer nass ist, weil Lebende zu viel um sie weinen. In der Musik, Literatur und Kunst nehmen Tränen, die mit Emotionalität in Zusammenhang stehen, viel Raum ein. Zahlreiche Buchtitel binden „Tränen“ in das Thema ein: („Tränen im Regenbogen“, „Nur eine Träne im Ozean“ u. v. a.) Ebenso spielt, nicht zuletzt im religiösen Bereich das „Trocknen von Tränen“ als Trost und Hilfe bei der Überwindung von Traurigkeit ein große Rolle: „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten“ (Psalm 126, 5) „Der Herr wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen“ (Jes. 25, 8). Auch dass übermäßig schockierten oder betroffenen Menschen manchmal die Tränen nicht mehr zur Verfügung stehen, schlug sich nieder (Aberglaube, Hexenglauben), in dem behauptet wurde, dass „Hexen“ keine Tränen hätten. Das Ausbleiben ihrer im Schock nicht fließenkönnenden Tränen (bei Hexenprozessen) wurde als Beweis für ihre Hexenidentität angesehen. Immer wieder wird auch die tränenlose Verbitterung durch ein aussichtsloses Schicksal geschildert, wenn Menschen ihre Gefühle nicht mehr zulassen („Im düsteren Auge keine Tränen“ H. Heine, Die schlesischen Weber).
Entsprechend der reinigenden Kräfte der Tränen im Auge haben emotionale Tränen für Betroffene sehr häufig eine reinigende, erneuernde, heilende, entspannende, lösende Wirksamkeit. Viele Menschen in therapeutischen Prozessen berichten, dass sie darüber, dass sie ihren Tränen freien Lauf lassen konnten oder wieder weinen lernten, neue Kraft und Lebendigkeit gespürt hätten. Ein Kind mit schweren Einschlafstörungen, die mit depressiven Verstimmungen im Zusammenhang standen, sagte mir einmal: „Wenn ich vor dem Schlafen weinen kann, schlafe ich von selbst ein“.
Das verdeutlicht, wie sehr zugelassene Emotionen, die über Tränen ihren Ausdruck finden, die Seele und den Körper regenerieren. Viele Menschen wirken in ihren Gesichtszügen entspannt, wenn sie ihre Tränen zulassen konnten. Im Grimmschen Märchen von der Gänsemagd (Grimm Nr. 89) wird aufgezeigt, dass geweinte Tränen zu Perlen werden. Es ist psychologisch sehr bedeutsam, dass zugelassene Emotionen, Gefühle und Stimmungen, zugelassene Trauer (Tränen) u. v. a. Erfahrungen bewirken, die das Schmerzliche transformieren und zur „Perle“ werden lassen. Ähnlich der in der Biwak-Muschel wachsenden Perle, die über den eindringenden Schmerz, den das Sandkorn auslöst, entstehen und wachsen kann. In psychotherapeutischen Prozessen gesunden Menschen über ihre zugelassenen Tränen.
Literatur: Standard
Autor: Laitenberger, Diethild