Herzensgebet

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Keyword: Herzensgebet

Links: Gebet, Herz

Definition: Herzensgebet, das auf das Evangelienwort (Matth. 15, 22) zurückgehende, auch als Jesusgebet bezeichnete Gebet: "Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner (bzw. unser)!"

Information: Keine

Interpretation: Diese mantramartige Formel (Mantra) wurde so oder in ähnlicher Form durch ostkirchliche Mönche, durch geistliche Väter (z. B. die russischen Starzen) und Seelenführer zu einer besonderen Gebetsmethode entwickelt. Die Kürze des Textes erlaubt eine ständige, nahezu unbegrenzte rhythmische Wiederholung, die - ähnlich wie bei der Meditation / Kontemplation - die theologische Reflexion weitgehend entbehren kann. Es sind die schlichten Worte selbst; es ist die ungeteilte Hinwendung zu Christus, was allein zählt. Dabei kann so gebetet werden, dass sich die Worte des Herzensgebetes mit dem Ein- und Ausatmen rhythmisch verbinden. Auf diese Weise wird einerseits eine tiefe Verankerung in die Leiblichkeit und damit in die Tiefen des Unbewussten hinein erzielt. Andererseits tut sich eine Möglichkeit auf, die sonst kaum erfüllbare Forderung des Apostels Paulus (I. Thessal. 5, 17) zu befolgen: "Betet ohne Unterlass!" Praktisch heißt das: Das Beten in Worten kann über das Gebet in Gedanken in ein geistiges Beten ohne Worte aber in voller Bewusstheit übergehen. Die mit Hilfe des Herzensgebetes erzielbare Sammlung und Intensität des Betens führt zur Erfahrung einer starken Gott-Unmittelbarkeit und Geistesgegenwart, und zwar mitten in der Welt und inmitten der alltäglichen Lebensvollzüge. Da bedarf es keines Klosters, keiner Zelle und keines speziellen gottesdienstlichen Ortes, weil das Entscheidende in der eigenen Herzenstiefe, gewissermaßen in der inneren Zelle der Existenz geschieht, Ausdruck einer Form christlicher Esoterik. Von daher ist das Wort des Johannes Klimakos (6. Jahrh.) zu verstehen: "Das immerwährende weise Herzensgebet ist die Wissenschaft aller Wissenschaften; die Kunst aller Künste; die Arbeit aller Arbeiten, die jedem Schlichten, wie dem Gelehrten zugänglich ist."

Der im Vollsinn des Wortes ökumenische Charakter dieser Gebetsform ergibt sich zum einen von seiner neutestamentlichen Wurzel her; zum andern hat sie in die Spiritualität verschiedener Orden ebenso Eingang gefunden wie in die protestantische Mystik, etwa bei Gerhard Tersteegen (1697-1769). Wie zu erfahren ist, handelt es sich beim Herzensgebet um eine Frömmigkeitspraxis, die in der letzten Zeit auch in westlichen Kreisen von neuem aufgenommen worden ist, offensichtlich (auch) angeregt durch die Tatsache, dass die Mantram -Übung des Ostens durch das Herzensgebet im Christentum eine Parallele hat.

Literatur: Standard

Autor: Wehr, Gerhard