Bauer

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Keyword: Bauer

Links: Bios-Prinzip, Erde, Mutter, Große, Pflanze

Definition: Landwirt, Landmann. Sprachlichnicht von 'bauen' abgeleitet, wie anzunehmen wäre, sondern aus mehreren Bildungen entstanden, deren Hauptform aus westgerm. 'ga-bura' = Mitbewohner (der Dorfgemeinschaft) stammt. Zur Berufs- und Standesbezeichnung wurde Bauer (urspr. = Dorfgenosse, Nachbar, Mitbewohner) erst durch die soziale Entwicklung im Mittelalter, gleichzeitig bekam es den Nebensinn "grober, dummer Mensch" in der Anschauung anderer Stände, v. a. des Adels und Bürgertums. Heute bezeichnet Bauer den vollberechtigten Hofbesitzer in der ländlichen Sozialordnung, im Unterschied zum Häusler und Kätner.

Information: Im Schach- und Kartenspiel sind die Bauern bestimmte Steine oder Karten innerhalb der Hierarchie des Spiels. Die bäuerliche Arbeit hat längste Tradition in der Geschichte der Menschheit: die Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht bildeten die Grundlage dafür, dass die frühen Menschen, nach Ende der letzten Eiszeit, ihre nomadisierende Lebensweise als Sammler und Jäger aufgaben und zu Sesshaftigkeit und produzierender Wirtschaftsweise übergingen.

9500-8700 v. Chr. begannen die ersten Bauer mit dem gezielten Anbau wilder Getreidesorten im günstigen Klima des "Fruchtbaren Halbmondes", um 7500 v. Chr. wurden hier die ersten Nutztiere (Schafe, Ziegen) domestiziert. Felder wurden angelegt und Pflanzen kultiviert und geerntet. Durch Etablierung des Bauerntums kam es zu entscheidenden Veränderungen der Lebensweise, die das gesamte weitere kulturelle und religiöse Leben prägten. Die Menschen lebten in gleichförmigen Dörfern mit spezifischen sozialen Strukturen. Neue Werkzeuge und Technologien für den Hausbau wurden entwickelt; die nun notwendig gewordene Vorratshaltung bedingte die Entwicklung der Keramik zur Herstellung großer Gefäße; das Wissen um die Gesetzmäßigkeiten des Jahreslaufes, des Pflanzenwachstums, der Bodenbearbeitung und Bewässerung, der Tierzucht und der Vorratshaltung wurden zur lebensnotwendigen Wissenstradition.

Im Eingebundensein in den Wachstumszyklus von Pflanzen und Tieren erlebten die Menschen im Wechsel von Werden und Vergehen, Geburt und Tod die archetypischen Wirkkräfte des dominierenden Archetyps der Großen Mutter. Die aus dieser Zeit erhaltenen Kunstwerke zeugen von der Verehrung dieses archetypischen Bildes.

Weshalb die Jäger und Sammler eine Lebensweise aufgegeben hatten, die ihnen über riesigen Zeitraum hinweg – schon vor mindestens 1 1/2 Millionen Jahren lebten Menschen im Nahen Osten – Vorteile gebracht hatte, bleibt eine schwierige Frage, denn der Pflanzenanbau bedeutet keineswegs eine Erleichterung des Lebens.

Bei Naturkatastrophen konnten die Jäger und Sammler wesentlich besser auf andere Nahrungsquellen ausweichen, während der Bauern von dem Gelingen der Ernte abhängig wurde. Auch bringt eine jägerische und sammlerische Bevölkerung weniger Zeit für die Suche nach der Nahrung auf, der Bauer arbeitet dagegen länger und auch härter.

Eine ähnlich schwierige Frage ist, weshalb der Beruf des Bauern – obgleich materielle Grundlage der Menschheit – in der Zwischenzeit zu einem der am wenigsten wertgeschätzten wurde. Dies zwang die Bauern im 16. Jh. in Deutschland, einen verlustreichen Krieg gegen ihre Ausbeutung und Unterdrückung zu führen. Lange waren Bauern leibeigene, mussten Frondienste leisten und Naturalien abgeben. Ist es die harte, körperlich schwere, zeitlich nicht auf den üblichen 8-Stunden-Werktag begrenzbare Arbeit, auch bei widrigen Wetterverhältnissen, im unmittelbaren Kontakt mit natürlicher Materie wie Mist und Erde, ist es die Erinnerung an den göttlichen Fluch: "verflucht der Ackerboden deinetwegen. Unter Mühsal wirst du von ihm essen [...] Dornen und Disteln läßt er dir wachsen" (l. Mos 3, 17-18) wofür der Bauer in der Perspektive aller anderen 'büßen' muss?

Durch Einsatz von Maschinen und elektrischer Energie haben sich bereits im 19. Jh. die bäuerlichen Arbeitsabläufe verändert, die über viele Jahrhunderte hinweg relativ gleich geblieben waren. Doch erst im 20. Jh und besonders nach dem 2. Weltkrieg hat sich durch Übertragung industrieller Produktionsmethoden auf die Landwirtschaft (Massentierhaltung, Züchtung neuer "industriegerechter" Rassen, Einsatz chemisch-pharmazeutischer Wachstumsförderer in der Tiermast, synthetisch hergestellten Kunstdüngers im großen Maßstab und giftiger sogen. Pflanzenschutzmittel) das Leben in der Landwirtschaft so schnell und so radikal verändert, wie wohl noch nie zuvor.

Die Gefahren, die von diesem Agrar-Industrialismus für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen, erkennend, entwickelten sich als Gegenbewegung seit den 20er Jahren der biologisch-dynamische Landbau und seit den 50er Jahren weitere ökologisch orientierte Richtungen, mit rapide zunehmender Tendenz.

In einer bewussten Neubesinnung auf bäuerliche Leitbilder, "die auf gewachsenen Traditionen gründen und die aus dem nachhaltigen Umgang und einem Ringen mit den natürlichen Ressourcen entstanden sind, schließen sich seit den 80er Jahren Bauern selbstbewusst zu "Bäuerlichen Erzeugergemeinschaften" zusammen, um in Bauernmärkten und Hofladen ihre Produkte direkt an Endverbraucher zu verkaufen, dabei auch bäuerliche Kultur deutlich werden zu lassen und den Austausch zwischen Bauern und Nicht- Bauern zu pflegen. Einen Ausgleich zur Abwertung der Bauern und Bäurinnen bildet ein eigener, über Jahrhunderte tradierter Stolz, die Pflege eigener Bräuche und mündlich weitergegebenen Wissens. In vielen sprich wörtlichen Redensarten kommt dies zum Ausdruck: "Wetterkunde ist des Landmanns erste Weisheit"; "Guter Boden macht den Bauern reich, aber nicht sogleich"; "Wer den Acker pflegt, den pflegt der Acker"; "Schmutzige Hand segnet das Land"; "Der Bauer ist so stolz auf seinem Mist wie der Junker auf seinem Schloß"; "Ein fleißiger Bauer ist edler als ein fauler Edelmann".

Interpretation: In verschiedenen Märchen wird die scheinbare Dummheit des Bauern in einem überraschenden Umschlag in ein neues Licht gerückt und als Weisheit des Toren erkennbar: "Die klugen Leute", "Der gute Handel", "Das Bürle", "Der Bauer und der Teufel"; "Die himmlische Hochzeit"; weitere Märchen: "Die kluge Bauerntochter"; "Das Bürle im Himmel"; "Die ungleichen Kinder Evas" (alle Grimm). In den Märchen kann die Gestalt des Bauern eine besondere Art von Lebensklugheit, die nicht aus theoretischen Studien, sondern aus praktischer Lebens- und Naturerfahrung stammt, auch eine besondere Art von Scharfsinn (Intuition), Bauernschläue gepaart mit Widerstand gegen Obrigkeit symbolisieren.

Ihren Reiz erhalten diese Märchen auf dem Hintergrund des kollektiven Vorurteils vom "dummen Bauern". Bäuerliche Kultur hat – meist mündlich tradiertes – Wissen um Arbeitsabläufe, kosmische Gesetzmäßigkeiten ("Bauernkalender" und sogen."Bauernregeln"), Riten im Jahresablauf (Erntedankfest;. Feldersegnung usw.), traditionelle regionale Trachten, soziale Umgangsregeln u. a. zum Inhalt. Bauer und Bäuerin symbolisieren somit menschliche Kräfte und Eigenschaften, die sich auf den wissenden Umgang mit der (inneren und äußeren) Natur beziehen (Tier, Pflanze, Erde, Witterung) und in einer der ältesten kollektiven Wissensschichten wurzeln (s. o.). Sie sind Symbole aus dem archetypischen Wirkfeld der Großen Mutter, aufgrund des in ihnen verkörperten Wissens im Sinne eines Geist-Aspekts dieses Archetyps. Der positive Aspekt des Symbols beinhaltet Naturverständnis und gestalterische Einflussnahme auf die Natur, der negative Naturverhaftung und Roheit bzw. Verrohung.

Literatur: Standard, Die Zeit (2006) Welt- und Kulturgeschichte. Bd. 01. Zeitverlag Gerd Bucerius. Hamburg: 2006.

Autor: Rafalski, Monika