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Aktuelle Version vom 19. Oktober 2023, 16:51 Uhr
Keyword: Fasten
Links: Alkohol, Brot, Essen, Ekstase, Fastnacht, Gebet, Nahrung, Initiation, Opfer, Ritual, Sexualität
Definition: Fasten (ahd. fasten, zu fest, wahrsch. urspr. = an den (Fasten)geboten festhalten) bedeutet, sich für eine bestimmte Zeit ganz oder teilweise der Nahrung zu enthalten oder auf den Genuss bestimmter Speisen zu verzichten. Dies kann aus gesundheitlichen, religiösen oder psychischen (Depression, Macht, Protest, Trauer, Protest) oder als Ausdruck einer Ernährungsstörung (Magersucht) geschehen.
Information: Fasten ist in den verschiedenen Religionen eine verbreitete Form der Askese; Motive sind die Reinigung des Körpers, die Sammlung von Willenskräften, der Wunsch, Buße zu tun oder zu innerer Einkehr zu gelangen und veränderte Bewusstseinszustände zu erreichen. Durch Fasten erzeugte ekstatische Erlebnisse, Visionen und Träume stellen im Verständnis des Gläubigen einen direkten Kontakt zu dem verehrten Gott beziehungsweise dem Göttlichen her. Odin hing neun Tage fastend am Weltenbaum, um Erkenntnisse zu gewinnen. Heilige gingen in die Wüste oder in die Einsamkeit, um zu Fasten und zu Beten (Gebet). Bei Initiationsfeiern (Einweihung Initiation Taufe) galt das Fasten neben der Reinigung des Körpers oft als weitere notwendige Vorbereitung.
In den großen Weltreligionen ist das Fasten meist an bestimmte Zeiten gebunden, z. B. im Islam am Ramadan.
Die katholische Kirche kennt zwei Fastenzeiten (vor Ostern und Weihnachten).
Fasttage sind (seit 1966) der Aschermittwoch und alle Freitage des Jahres, die keine Feiertage sind. An diesen Tagen gilt das Abstinenzgebot (Enthaltung von Fleischspeisen); am Aschermittwoch und Karfreitag sind eine Hauptmahlzeit sowie morgens und abends eine kleine Stärkung erlaubt. Zum Fasten verpflichtet sind alle Kirchenangehörigen vom vollendeten 18. bis zum beginnenden 60. Lebensjahr. Die evangelischen Kirchen kennen (im Sinne verpflichtender kirchlicher Vorschriften) keine Fastengebote.
Kürzere Fastenzeiten werden aus medizinischer Sicht heute allgemein als unbedenklich, wenn auch bei normalgewichtigen Menschen als nicht besonders gesundheitsförderlich angesehen. Längere Fastenzeiten hingegen können zu gesundheitlichen Schäden (Notfallreaktionen des Körpers mit vielfältigen Schädigungsmöglichkeiten der Organe) führen und sollten vermieden werden.
Interpretation: Allgemein symbolisiert das Fasten für eine nicht gesundheitsschädliche Zeitspanne die freiwillige Enthaltsamkeit von der Aufnahme evtl. belastender Stoffe zum Zwecke der körperlichen und psychischen Gesundheit und einer verbesserten psychosomatischen Verarbeitungsfähigkeit. Es steht für Disziplin, Selbstbeherrschung und Kontrolle und steht in enger Beziehung zur Symbolik des Opfers.
Wenn es sich um ein Fasten aus psychopathologischen Gründen handelt, sollen nach tiefenpsychologischer Auffassung damit möglicherweise psychische Inhalte, deren Aushalten oder Bewusstwerdung sehr belastend sein könnten, unterdrückt und abgewehrt werden. Dies kann sich insbesondere auf Triebe und Bedürfnisse des Essens, Trinkens, der Sexualität und der Aggression beziehen, aber auch auf die Beschaffenheit des Körpers allgemein, auf die Identität (Frau Mann) und auf das Leben überhaupt (Depression). Auch kann auf diesem Wege versucht werden, das Wiederinnern oder Wiedererleben von traumatischen Erfahrungen (Trauma) zu vermeiden. Es kann vorübergehend das (letztlich trügerische) Gefühl einer besonderen Freiheit von allem Belastenden und eine ekstatische Leichtigkeit gegenüber der Schwere des Lebens vermitteln.
Nach Auffassung der Analytischen Psychologie steht hinter einer Ernährungsstörung oft eine tiefere Störung in der Beziehung zum Selbst, das in seiner Ganzheit (insbesondere dem Körper, dem Schatten und dem weiblichen Aspekt, Mutter, Große) nicht angenommen werden kann. In den patriarchalen Religionen könnte ein übermäßiges Fasten auf die gleiche Konfliktlage gegenüber dem weiblichen Prinzip (Weibliches Prinzip) hinweisen.
Literatur: Standard
Autor: Müller, Lutz