Spirale

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Keyword: Spirale

Links: Achse, Kreis, Labyrinth, Progression, Regression, Selbst

Definition: Eine Spirale (nlat. (spiralis= schneckenförmig gewunden (e Linie), zu mlat. spiralis = schneckenförmig gewunden, zu lat. spira = gewundene Linie, in Schneckenlinie gewundener Körper) ist eine gekrümmte Linie, die in immer weiter werdenden Windungen um einen festen Punkt, eine Achse, läuft.

Information: Spiralen begegnen wir zumeist in den Schneckenhäusern, in vielem, was der Wind treibt, Schneeflocken oder Sand, in den sich vor ihm einrollenden Wellen. Abfließendes Wasser bildet Wirbel, Vögel wie Jets gewinnen kreisend an Höhe, Pflanzen winden rankend sich empor, wir bewegen uns hinauf oder hinab über Wendeltreppen, in Parkhäusern oder in den Gängen von Bergwerken, nutzen die Spirale im Schrauben fester Verbindungen.

Interpretation: Wie das Programm der Evolution in der DNS-Doppelhelix enthalten ist, symbolisiert die Spirale in doppelter Bedeutsamkeit die Urform allen Lebens, indem sie dessen polaren Verlauf von der Extraversion zur Introversion spiegelt. Vom menschlichen Embryo oder einem jungen Farnblatt ausgehend bis zum kosmischen Spiralnebel zeigt sie Leben in dynamischer Entfaltung bis zu seinem Höhepunkt und seinem Wiedereinrollen hin zu Altern und Tod. Spiralen bzw. Labyrinthen gleichen auch die den rhythmischen Lebensprozessen dienenden Gedärme und das Gehirn mit ihren Windungen: Aufnehmen von Nahrung, Verdauen und Wiederausscheiden sowie die geistigen Verarbeitungsprozesse können ebenso psychische Verarbeitungsvorgänge darstellen.

Seit alters unterscheidet der Mensch zwei Spiralformen. Die linksdrehende, die, von der Mitte aus gesehen, entgegen dem Uhrzeigersinn läuft, symbolisiert, sich einrollend, konzentrierend, Introversion, den Weg zurück mit Ebbe und dem abnehmenden Mond, zurück zum Ursprung, zum Mutterleib und auch zum Tod. Die rechtsdrehende Spirale, die von der Mitte aus gesehen, mit dem Uhrzeigersinn sich aufrollt, stellt die Extraversion, mit der Symbolik des zunehmenden Mondes, mit Flut und Fruchtbarkeit, Entfaltung zu Leben und Zukunft dar, sie lässt sich ins Offene, bis ins Unendliche fortsetzen.

Schon in den Megalithkulturen finden sich Steinritzungen von Spiralen in Felsen, auf Altären der Großen Mutter und in Begräbnisstätten, so auf Malta und Gozo, auf Kreta und in Irland, Spiralen beider Drehrichtungen, immer zugleich, mancherorts in der Doppelspirale zu einer Gestalt vereinigt: Es besagt, Tod und Leben sind keine einander ausschließenden Gegensätze, sie sind durch ein übergreifendes rhythmisches Gesetz verbunden, dem der Mondwechsel und die Jahreszeiten zugrunde liegen. Auch bei indianischen Heilungsritualen werden Spiralen in die Sandbilder gezeichnet.

All diese seit dem Paläolithikum überlieferten Spiralformen bilden elementare Lebensprozesse nach. So zeigt eine rechtslaufende Spirale, die nach links endet, einen immer weiter ausfaltenden Lebensvorgang, einen Bewusstseinsprozess, der sich wieder nach innen zu wenden beginnt, zur Inspektion, vielleicht Meditation. Eine linkslaufende Spirale, die sich nach rechts öffnet, kann eine introvertierte Entwicklung ausdrücken, die bis zur Isolierung führte, nachdem sie voll durchschritten wurde, zurück zur Expansion findet. An der Bewegung der Spirale, in der sich immer die voll entfaltete Form zur Gegenbewegung wendet, lässt sich die Enantiodromie ein Grundrhythmus des Lebens begreifen. Der Mäander, eines der ältesten Ornamente, aus der Doppelspirale entwickelt, zeichnet diese Grundspur des Lebens nach.

Aus germanischen und keltischen Siedlungsräumen sind Feldlabyrinthe und -spiralen bekannt, die kultisch ausgeschritten oder umritten wurden, um die Einkehr in den Herbst- oder Todesbereich mitzuvollziehen, oder die Umkehr der Sonne am Wintersolstitium und dadurch dem Leben und dem Frühling zu Neubeginn und Wiederaufstieg zu verhelfen. Auf kultischen Tanzplätzen sind Spiralmuster eingezeichnet, die die Tanzfiguren vorgaben. In der noch matriarchalen mykenischen Epoche auf Kreta wurde in Frühlingstänzen die Wiederkehr des Lebens gefeiert, in Analogie zu der Rettung der zur Opferung bestimmten jungen Männer und Frauen durch Theseus am Faden der Ariadne, Zeugnis weiblicher Weisheit.

Sehr alt ist auch die Darstellung der zu Labyrinth erweiterten Spirale als eines Weges und Reiseplanes für die Seele nach dem Tode, die durch vorgesehene Umwege und Verwandlungen schließlich den Ort ihrer Bestimmung erreicht.

Die Pueblos tanzten zu Neujahr Spiraltänze und begleiteten sie mit Gesängen. Bei den Mayas bildete der Winter den Punkt Null der Spirale, die das Symbol der Wintersonnenwende war. Um sicherzustellen, dass die Sonne wieder aufsteigen würde, spielten sie zu dieser Zeit ein kultisches Ballspiel, das immer zur Sonnensymbolik gehörte.

Ein spätes Beispiel einer solchen Figur sind die Labyrinthe in mittelalterlichen Kathedralen, wie sie noch in Chartres und Amiens erhalten sind, nachweislich Spielfelder eines österlichen Ballspiels, Tod und Auferstehung Christi darstellend. Nikolaus von Cues hat ein kosmisch-divinatorisches Kugelspiel erfunden, in dem ein Ball die konzentrischen Kreise des Spielfeldes, die Sphären des Himmels, spiralförmig durchläuft und damit das dynamische Element gegenüber den konzentrischen Kreisen darstellt. Das Labyrinth gleicht einem verschlungenen Weg und wird in vorchristlicher und mittelalterlicher Zeit, aber auch in der Frauenbewegung heute, als ein Bild des Lebensweges gesehen.

Das Symbol der Spirale lässt sich auf jeden Prozess der Bewusstwerdung beziehen, insbesondere den psychotherapeutischen. Aufgrund der Introspektion, dem Einrollen bis hin zum Tiefpunkt im Zentrum, in dem der autonome Komplex konstelliert ist, kann die Wende um 180° erfolgen zu Extraversion und Entwicklung neuer Kräfte und Möglichkeiten. Angesichts einer dreidimensionalen Spirale, die als räumliche Figur mit jeder Umkreisung eine höhere Ebene erreicht, wird ein Phänomen verständlich, wenn C. G. Jung in „Das Geheimnis de Goldenen Blüte“ von einem möglichen „Überwachsen“ eines Problems, das auf einer bisherigen Bewusstseinsebene unlösbar war, spricht: Mit einer Niveauerhöhung des Bewusstseins durch irgendein weiteres Interesse und damit einhergehenden Erweiterung des Horizontes verlor das unlösbare Problem seine Dringlichkeit. „Es wurde nicht in sich selber logisch gelöst, sondern verblasste gegenüber einer neuen und stärkeren Lebensrichtung. Es wurde nicht verdrängt und unbewusst gemacht, sondern erschien bloß in einem anderen Licht, und so wurde es auch anders.“

Letztlich lässt sich die Spirale als Ausdruck des Individuationsprozesses verstehen, wie C. G. Jung ihn interpretierte: Ausgehend von der Auffassung, dass der Prozess des Lebens von einem „Selbst“ initiiert sei, dem dynamischen Zentrum jeder Person, beschrieb er den Individuationsweg als die Ausfaltung des Wesenskerns, der jenseits des individuellen Ich liegt. Somit ist die Spirale eine Meditationsform für das eigene Leben.

Literatur: Standard

Autor: Riedel, Ingrid