Kind, göttliches

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Keyword: Kind, göttliches

Links: Heros-Prinzip, Gottesbild, Intuition, Kind, Selbst

Definition: Das "Göttliche Kind" als mythologischer Begriff bezieht sich auf die Gestalten, in denen sich das göttliche Prinzip als Kind bzw. in seinem Kindheits-Zustand darstellt. In der Analytischen Psychologie ist es zudem ein Begriff für bestimmte Qualitäten des Selbst.

Information: Dass ein Kind das wachsen und sich entwickeln wollende Leben symbolisiert, ist ganz natürlich. In den Gesichtern der meisten Menschen, die sich ein Baby anschauen, eine Geburtsanzeige lesen oder ein Foto des kleinen Wesens betrachten, kann man ein Leuchten erkennen, sie lächeln erfreut und es ist, als ob einen Augenblick lang Frieden diese Situation durchzieht. Auch die großen traurigen Kinderaugen, oder die Kinder mit amputierten Gliedmaßen, die in den Berichten von Unicef, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, zu sehen sind, lösen bei den Betrachtern ein spontanes Mitgefühl aus, denn hier wird die Bedrohung des Lebens sichtbar. Auch Bilder von Tierkindern werden von den meisten Menschen mit einem warmen Blick angesehen.

Und wenn man sich klar macht, dass die heutige Astronomie in der Lage ist, Sternensysteme, die sehr sehr weit von der Erde entfernt sind, zu untersuchen und nirgends, weit und breit, keine Leben gefunden zu haben, wird die Bedeutung des Lebens, das sich auf dem kleinen Planeten Erde gebildet und entwickelt hat, nur allzu verständlich. Es kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, das Wunder "Leben", das mit jedem Lebewesen, ob Tier oder Mensch, neu auf dieser Welt erscheint. Dieses Wunder ist so groß, dass viele Kulturen schon vor Jahrtausenden als Symbol dafür das "göttliche Kind" hervor gebracht haben. Ob es nun Götterkinder waren, wie der griechische Apollon und der indische Krishna, oder ob es bedeutende Menschenkinder waren, wie Jesus in der Krippe zu Bethlehem oder die Geburt von Gautama, der später der Buddha wurde, immer wurden diese Kinder göttlich genannt, weil mit ihnen besondere Fähigkeiten, die letztlich zu einem jeden menschlichen Wesen gehören, hervor gehoben wurden. Zum Beispiel wurde die Kreativität und die List dem Götterkind Hermes zugeschrieben, der schon im zarten Babyalter seinem Bruder Apollon die Kühe stahl und die erste Lyra erfunden hat. Er war die Personifikation des göttlichen Schelms und Tricksters, der gleichsam zwei Gesichter hatte: ein seriöses, damit wurde er zum Schutzpatron für die ehrbaren Kaufleute; und ein unseriöses, das die Gaukler und Diebe liebten. Hermes wurde zum Götterboten ernannt, weil er in seiner das ganze Leben umfassenden Kreativität ein Grenzgänger war. In dieser Eigenschaft geleitete er dann auch die Seelen der Verstorbenen ins Jenseits.

Die ersten Kindheitsjahre der göttlichen Kinder sind oftmals schwierig: Mose wird in einem Schilfkörbchen einem ungewissen Schicksal ausgesetzt, wie auch der spätere König von Akkad, Sargon. Auch die Schwarzfußindianer erzählen den Mythos vom Drachentöter Kut-o-yis, der in einem Kessel eingesperrt und von Zieh-Eltern aufgezogen wurde, ähnlich wie der kleine Ödipus, dessen Eltern die Weissagung zuteil geworden war, dass ihr Sohn eines Tages seinen Vater töten würde. Obwohl er selbst davon nichts wusste, weil er bei einfachen Hirten aufgewachsen war, erfüllte sich das Orakel und er tötete, ohne es zu wissen, seinen Vater.

Und Kore, die Tochter der griechischen Göttin Demeter wurde im jugendlichen Alter von Hades, dem Gott der Unterwelt geraubt, was die Mutter veranlasste, in tiefem Schmerz nach ihrer Tochter zu suchen. Diese durfte dann auch wieder zurück in die Welt der Fruchtbarkeit, jedoch nur zweidrittel des Jahres, das dritte Drittel musste sie bei ihrem Gemahl im Tartaros verbringen.

Alle diese Mythen erzählen von den Bedrohungen und Unwägbarkeiten des Lebens, das sich aber dennoch, ungeachtet aller Schwierigkeiten, durchsetzt, dass also immer wieder das Leben siegt.

Interpretation: Diese Überlebenskraft des Kindes, vor allem symbolisiert im "göttlichen Kind", spielt auch in der Psychotherapie, vor allem bei schwer gestörten Menschen, eine entscheidende Rolle. Die analytische Psychologie C. G. Jungs geht davon aus, dass der archetypische Kern des Kindes in jedem Menschen genügend gesunde Anteile aufweist, auf die eine Therapie aufbauen kann. "Die mit dem Kind im archetypischen Sinne angesprochene Zukunft des Menschen ist weit gehend unabhängig von der augenblicklichen Lebenssituation. Damit besteht eine Möglichkeit, die trotz augenblicklicher Ausweglosigkeiten grundsätzlich zug änglich bleibt. Habe ich mich erst einmal dazu entschlossen, die Signale der Psyche aufzunehmen, so werde ich auch ihre Zukunftsrichtung wahrnehmen lernen." (Seifert. T., 1981, S. 283)

Auch in der Transaktionsanalyse spielt das innere Kind, das Kind, das der betreffende Mensch einmal gewesen ist, eine große Rolle. Dem ursprünglich "freien" Kind werden starke Vitalität, die unmittelbare Freiheit echte Nähe zuzulassen, Unbekümmertheit, Absichtslosigkeit, Spontaneität und Intuition zugeschrieben. Da dieses ursprüngliche Kind beim Erwachsenen durch die Vorstellungen und Wünsche der Eltern oftmals nur noch in seiner reaktiven Art, entweder sehr brav und angepasst, oder oppositionell rebellisch, beobachtet werden kann, besteht das Ziel einer Psychotherapie immer auch darin, dem inneren Kind wieder seine Freiheit zu ermöglichen.

Allerdings gibt es zu bedenken, dass das Kind im Erwachsenen auch eine infantile Seite haben kann. Im Märchen vom "Treuen Johannes" muss der König seinen beiden Kindern den Kopf abschlagen, damit der treue Diener Johannes wieder aus der Erstarrung zu einem Stein erlöst werden kann."Das Kind (hat) immer eine doppelte Bedeutung: mythologisch kann es das Selbst verkörpern, andererseits – je nach Kontext und Nuance – den infantilen Anteil der Person. Es ist natürlich irgendwo das Gleiche, denn man könnte sagen, das die Verwirklichung des Selbst immer die Erneuerung der Naivität mit sich bringt, die Ganzheit und Ursprünglichkeit der Reaktion eines Kindes. Aber die Frage lautet: "Bin ich noch kindisch oder muss ich wieder ein Kind werden?" Christus sagte: "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht ins Himmelreich eingehen." Aber man muss erst erwachsen werden und dann wieder ein Kind." (v. Franz, M. -L.: 1985, S. 104 u. 105).

Das Göttliche im Menschen ist also die unbändige Lebenskraft, die ursprüngliche Wahrhaftigkeit, Kreativität und Intuition, mit deren Hilfe wir auch schwierige Lebenssituationen lösen und meistern können."Manchmal kommen wir in Situationen, in denen alles ungeschickt läuft, und dann entschlüpft plötzlich so etwas unserem Mund oder will es zumindest, und wir sind uns nicht ganz im klaren, ob wir jetzt einfach ein enfant terrible sind, ob unser Schatten die ganze Situation verderben will, ob wir unter allen Umständen die Idee unterdrücken oder ob wir sie aussprechen müssen. Dann kann man nur noch das Wagnis auf sich nehmen und sprechen, das rettet vielleicht die Situation, so dass alles wieder an seinen richtigen Ort kommt. Zitternd vor Furcht entdeckt man dann, dass man das "erlösende" Wort gesprochen hat. Man kann dann nur sagen, dass es nicht die eigene Idee war, sondern dass man selbst nicht weiß, wie man dazu kam, es aber einfach aufgrund einer Eingebung sagen musste." (v. Franz, M.-L.: 1985, S. 26)

Dieses Vertrauen in das Innerste, in das Selbst, das die richtigen Antworten kennt, ist nötig, um über die Naivität des ursprünglichen Kindes den Zugang zum Göttlichen im eigenen Wesen zu gewinnen.

Literatur: Standard

Autor: Seifert, Ang Lee