Fische (Tierkreis)
Keyword: Fische (Tierkreis)
Links: Astrologie, Coniunctio, Fisch, Meer, Mutter, Große, Paar, Polarität, Schlange, Unbewusstes, Wasser
Definition: Die Fische sind das 12. Zeichen des Tierkreises, ein Sternbild der Äquatorzone.
Information: Keine
Interpretation: Fische können sowohl für Inhalte des Unbewussten als auch für das Unbewusste selbst stehen.
C. G. Jung hält sie neben der Schlange für eine der ältesten Allegorien bzw. Symbole (GW 9/II S. 81 ff und S. 163 ff). Ein Fischschwarm in Traum oder Imagination zeigt ein hoch dynamisch belebtes Unbewusstes an.
Abbildungen des Sternbildes Fische (lat. pisces) zeigen in der Regel zwei Fische, die durch eine Schnur verbunden sind. Die bildlichen Darstellungen sind durch die Jahrhunderte im Vergleich zu anderen Sternzeichen auffallend konventionell und zeichenhaft. Dies könnte ein Hinweis auf sehr bewusstseinsferne, unpersönliche, nichtsdestoweniger elementare Inhalte des Seelischen sein, die der gestaltenden Vorstellung leicht entgleiten. Eine bemerkenswerte Abweichung vom Schema der parallel oder in Gegenrichtung schwimmenden Fische findet sich in einer christl. Handschrift des 9. Jh. in der Bibliothèque Nationale in Paris, wo eine hundeähnliches, schlangen- oder drachenschwänziges Mischwesen im Begriff ist, einen Fische zu verschlucken oder ihn auszuspeien. Dieses Bild weist in den ursprünglichen Hintergrund des Symbolpaars, der tief in eine unauflösliche und prinzipiell grenzenlose Verbundenheit von Umfassen, Entstehen und Vergehen hineinführt.
Religionsgeschichtlich führt die Spur zum syro-phönizischen Fischkult der Großen Göttin Derketo-Atargatis und deren Sohn, Ichthys (gr. = Fisch, später verchristlicht im Akrostikon "Iesus Christus Theou Yios Soter" = Jesus Christus Gottes Sohn Retter). Beide werden in Fischgestalt verehrt: Der eine der beiden Fische ist als "Großes Mütterliches" Repräsentant des unauslotbaren umfassenden seelischen Grundes, bald als Meer, bald als Nachthimmel erlebt, bald verschlingend, bald gebärend; der andere Fische der ithyphallische "schöpferische Funke", Zeuger, Erlöser; als archetypisches Phänomen des "Lichtes im Dunkel" scintillae ("Fünklein") oder oculi pisces (Fischaugen, Jung GW 8, § 392)) genannt. Beide sind untrennbar, Grund und Agens sind aufeinander bezogen und erzeugen unablässig den niemals versiegenden Lebensstrom, gr. zoe.
Im griechischen Mythos verwandeln sich Aphrodite und ihr Sohn Eros auf der Flucht vor Gaias furchtbarem Chaos-Sohn Typhon in Fische und werden anschließend in dieser Gestalt an den Himmel versetzt. Symbolisch gedacht spielt Typhon die Rolle eines "Trabanten" der "furchtbaren Mutter" (E. Neumann), also Gaia-Aphrodites Todesaspekt. Verfolger und Verfolgte sind eines, die wechselnden Szenen des Verschlingens und Entkommens, der Vereinigung und Geburt dienen dem ewigen Schauspiel, das dem Lebenshintergrund entströmt, schillernd, chimärenhaft, farben- formen- und artenreich wie die wimmelnden Fische im Meer, Symbol unerschöpflicher Fülle. Das Fischpaar hält dies Schauspiel wechselwirkend in Gang. Der eine verkörpert immer das "Größere Leben", das sowohl ein Triebhaftes als auch ein Geistiges sein kann, der andere den Impuls der Individualseele göttlichen Ursprungs, welche den stummen Grund zur Selbst-Äußerung und Wandlung veranlasst.
Beide zusammen illustrieren die Einheit von Sein und Seiendem, Ganzem und Teil. Oder auch das sich ergänzende Gegensatzpaar: Geist-Seele, Geist-Natur, Sonne-Mond, Bruder-Schwester, Leidenschaft-Erlösung usw.
Eine weitere Deutungsfacette beleuchtet das Hervorbringen des einen Gegensatzes durch den anderen: Opfer und Täter, Leidender und Helfer, Erzeuger und Zerstörer, Stärke und Schwäche gründen in einem gemeinsamen Feld. Ein anschauliches Bild ist uns mit dem chinesischen Yin-Yang-Zeichen überliefert, in dem jeder Gegensatz im Kern den "Funken" oder "Keim" des anderen enthält. Zuletzt kann das Fische-Paar auch für die "heimlichen Brüder" Christus und Satan stehen und in gnostischer Sicht für die Doppelnatur Christi: für den Archetypus des "Unteren", der chaos-entsprossenen Natur auf der einen, und für die himmlische Geistnatur auf der anderen Seite.
Astrologisch (und das heißt immer zugleich allgemein lebensweltlich) gehört zum Symbolfeld der Fische alles nicht Fassbare, das sich auf unsichtbare, schleichende, anarchische, "abseitige", chaotische oder geistige Art äußern kann bzw. untergründige Bewegung schafft. Nicht fassbar sind auch alle Modeströmungen, die sich aus dem kollektiven Tiefenbewusstsein speisen, ob Kleiderordnung oder andere kulturellen Felder betreffend.
Der Fische-Bereich ist ein Grenzbereich, in dem alles möglich ist, von der verwahrlosten Randexistenz bis zur Präsenz des Heiligen, die sich bekanntlich gern im gesellschaftlich Entwerteten verbirgt. Im letzten Grund geht es um die Erfahrung des Geistig-Numinosen, das Fülle und Leere zugleich ist, um schöpferischen Neubeginn aus der Auflösung aller emotionalen und materiellen Bindungen.
Die FISCHE in der Astrologie ist das 12. und letzte Zeichen im Jahreslauf und damit Fragen nach letzten Dingen zugeordnet, der Loslösung von gesellschaftlichen Maßstäben, Hingabe und Rückbindung (religio) an ein unnennbares größeres Ganzes, Einsicht in die Illusion der Trennung zwischen Subjekt und Objekt, Schöpferischsein aus der Fülle der archetypischen Bilder.
Der zugehörige Planet ist Neptun (bis 1846 Jupiter), das Element Wasser, die Qualität labil (beweglich). Allgemeine Grundprinzipien sind das Grenzenlose, Ahnung, Auflösung, Durchlässigkeit, Verwandlung, Erfahrung nicht-materieller Dimensionen, kollektives Un- bzw. Überbewusstes, das Irrationale, trügerisch Doppelbödige, Traum und Rausch. Die Instinktnatur ist intuitiv, empfindlich reagibel, leidenschaftlich, will Entgrenzung, Verschmelzung oder Flucht. Das seelische Bedürfnis ist Erlösung, participation mystique, Mitfühlen, Mitschwingen, Grenzerfahrungen. Die Handlungsart schwankt zwischen Extremen: teils einfühlsam, hilfs- und opferbereit, teils unberechenbar aufbrausend, unbeherrscht.
Schattenaspekte sind: Realitätsflucht, Drogensucht, Verwahrlosung, Gewalt, Anarchie, Psychosen, Betrug, Verantwortungslosigkeit.
Literatur: Standard, Jung (GW 9/2), Romankiewicz (2002)
Autor: Romankiewicz, Brigitte