Zwölf

Aus symbolonline.eu
Version vom 8. Oktober 2015, 16:40 Uhr von de>Autor
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Keyword: Zwölf

Links: Drei, Ganzheit, Logos-Prinzip, Mandala, Monat, Polarität, Quaternität, Vier, Sechs, Zahl

Definition: Die Zwölf besitzt die Teiler 1, 2, 3, 4, 6 und 12. Aus arithmetischer Sicht ist sie damit echt teilbar und stellt die sechste gerade natürliche Zahl dar.

Information: Keine.

Interpretation: Vor- und Frühgeschichte: Vergleichende kulturgeschichtliche Forschungen legen nahe, dass die Zwölf immer dann symbolische Bedeutung bekam, wenn Kulturen mit Sonnen- und Mondgottheiten in Kontakt zueinander traten.

Alter Orient: In China existiert ein Sechzigerzyklus, der bereits im 2. Jahrtausend v. Chr. bekannt war und bis heute zum Zählen der Tage und Jahre des traditionellen Kalenders verwendet wird. Die sechzig Kombinationen entstehen dadurch, dass eine Serie von zehn Zeichen (zehn Stämme genannt) mit einer von zwölf (zwölf Zweige genannt) fortlaufend verbunden wird, bis nach den sechzig möglichen Zweieranordnungen der Zyklus von vorne beginnt (Zehn). Die „zwölf Zweige" allein dienten auch zur Zählung der traditionellen Tagesunterteilung, wobei das erste Zeichen der europäischen Doppelstunde von 23 bis 1 Uhr zugeordnet war. - Die buddhistischen Lehrreden zeigen sehr ausgeprägt die altindische Tendenz, Begriffe in Zahlengruppen zusammenzufassen. Ein wichtiges Beispiel zur Zwölf ist die Lehrrede vom Heil im Khuddakapatha, die aus genau zwölf Versen besteht und alle Tugenden aufführt, die zum höchsten Heil führen.

Antike: Da sich die Zwölf weder als Dreiecks- noch als Viereckszahl figurieren lässt, galt sie im Pythagoreismus wegen ihrer Teilbarkeit durch 2 als weiblich. Als 12 = 3+4+5 war sie die erste natürliche Zahl, die sich als Summe eines pythagoreischen Tripels darstellen ließ und darum sehr bedeutsam. - Im Platonismus bezog man die Zwölf auf die fünf regelmäßigen oder kosmischen Körper. Denn der Sechsflächner (Hexaeder) hat 12 Kanten, der Achtflächner (Oktaeder) 12 Kanten, der Zwölfflächner (Dodekaeder) 12 Flächen und der Zwanzigflächner (Ikosaeder) 12 Ecken. Somit ergab sich für die Platoniker ein Verhältnis der Zwölf zur Sechs, zur Acht und zur Zwanzig, das für sie noch durch die geometrische Tatsache untermauert wurde, dass der Zwölf- und der Zwanzigflächner zueinander dual sind. Da man annahm, dass der Zwölfflächner die Idee des Kosmos darstelle, waren die Zwölf und der Kosmos aufeinander bezogen. In der Antike bildete sich für die Zwölf eine weitere geometrische Darstellung heraus, nämlich das regelmäßige Zwölfeck.

Monotheistische Religionen: Im Alten Testament wurden Gliederung und Ordnung im Irdisch-Weltlichen mit der Zwölf in Verbindung gebracht. Da sie im alphabetischen hebräischen Ziffernsystem durch die Kombination von Bet=2 und Jod=10 ausgedrückt werden musste, war ihr kein einzelner Buchstabe zugeordnet, so dass sich die Zwölf in der rabbinischen Zahlenspekulation nur als Summe ergeben konnte. - Die Teilbarkeit der Zwölf durch die Drei und die Vier wurde vom Kirchenvater Augustinus symbolisch interpretiert. Für ihn war sie deshalb ein Zeichen für das Verhältnis des Dreieinigen Gottes zu der aus vier Elementen bestehenden Welt und damit ein Hinweis auf die kommende Erlösung. Mit seiner neoplatonischen Deutung erklärte er auch das häufige Erscheinen der Zwölfzahl in der Bibel von den zwölf Stämmen Israels im Alten Testament bis zu den zwölf Aposteln und den zwölf Toren des himmlischen Jerusalems im Neuen. - Von den aus der Zwölf durch Multiplikation hergeleiteten biblisch-christlichen Symbolzahlen sind zu nennen die 24 als die Zahl der Ältesten in der Apokalypse, die 72 als die Zahl der Namen Jahwes nach der babylonischen Sprachverwirrung im ersten Buch Mose, die 144 als die Zahl der Ellen, die die Mauern des himmlischen Jerusalems nach der Apokalypse messen, und schließlich die 144'000 als die Zahl aller Heiligen in der Apokalypse. - Im Islam wurde die Zwölf der Buchstabenkombination aus Ba=2 und Ja=10 zugeordnet, so dass ihr kein eigenes Gottesattribut entspricht. Seine mystischen Richtungen brachten sie makrokosmisch mit dem Tierkreis und mikrokosmisch mit den „Körperöffnungen" (zwei Ohren, zwei Augen, zwei Nasenlöcher, ein Mund, zwei Brustwarzen, ein Nabel, eine Urogenital- und eine Analöffnung) in Verbindung.

Hermetische Überlieferung: In der hellenistischen Astrologie verband man die zwölf babylonischen Sternzeichen mit den vier griechischen irdischen Elementen, indem man drei feurige (Widder, Löwe und Schütze), drei wässrige (Krebs, Skorpion und Fische), drei luftige (Zwillinge, Waage und Wassermann) und drei irdische (Stier, Jungfrau und Steinbock) unterschied. Und seit dem Hochmittelalter wird ein Zusammenhang des zwölften Himmelshauses des Horoskops mit Feinden, Kritik und Prüfungen angenommen.

Mathematik, Naturwissenschaften, Technik und Kunst: Als in Europa im Zusammenhang mit der höfischen und auch bürgerlichen Prachtentfaltung seit dem 16. Jahrhundert verstärkt Orchester entstanden, war das Problem zu lösen, Instrumente mit fester Tonlage modulierbar zu gestalten, so dass sie aufeinander abgestimmt werden konnten. Die mathematisch-musiktheoretische Lösung wurde von Marin Mersenne in seiner „Harmonie universelle" von 1636/37 gegeben, indem er die Oktave in zwölf Tonschritte gleicher Weite unterteilte, womit die tradierten pythagoreischen und diatonischen Gliederungsprinzipien der damaligen europäischen Musik systematisch in Frage gestellt waren. Es dauerte etwa 200 Jahre, bis die Mersenneschen Auffassungen die antiken abgelöst hatten, und dann noch einmal knapp 100 Jahre, bis Arnold Schönberg als logische Konsequenz der gleichschwebenden temperierten Stimmung die „Methode der Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen" entwickelte. Dieses Verfahren bekam in den kulturellen Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts eine weitreichende symbolische Bedeutung. Denn einerseits wurde die „Zwölftontechnik" zum Zeichen des Neuen in der Musik und in der Kunst allgemein (z.B.: Theodor W. Adorno), anderseits zum Inbegriff der Dekadenz oder gar der musikalischen, künstlerischen und kulturellen „Entartung" (z.B.: Richard Strauss).

Gegenwartssprache und Redewendungen: In der deutschen Gegenwartssprache tritt die Zwölf in folgenden Redewendungen auf: Es ist fünf vor zwölf (also fast schon zu spät); wenn ..., dann hat es zwölf geschlagen (dann ist es zu spät); Schostakowitsch's Zwölfte exekutieren (also Schostakowitsch's 12. Sinfonie inadäquat aufführen oder interpretieren). Auch erscheint die Zwölf in den Wortfügungen Zwölf Artikel (bedeutendstes politisch-soziales Programm der aufständischen Bauern im Bauernkrieg von 1524 bis 1526), Zwölfender (aus der Jägersprache entlehnte Bezeichnung für einen Soldaten mit einer Dienstzeit von zwölf Jahren), Zwölfkampf (Mehrkampf der Turner, bei dem an sechs verschiedenen Geräten je eine Pflicht- und eine Kürübung ausgeführt werden), Zwölfmeilenzone (entlang der Küste verlaufender, zwölf Seemeilen breiter Meeresstreifen, dessen äußerer Rand das Hoheitsgebiet vieler Küstenstaaten begrenzt), Zwölften (die Zwölf Nächte zwischen Weihnachten und Dreikönigstag, die im deutschen Volksglauben bedeutsam waren) sowie in der thematisch zusammengehörigen Gruppe Zwölftöner (abschätzige Bezeichnung für einen Komponisten, der die Zwölftontechnik anwendet, Zwölftonmusik, Zwölftonreihe und Zwölftontechnik (s. oben).

Tiefenpsychologie: C. G. Jung deutete die arithmetische Tatsache 3∙4 = 12 mit seinen zahlensymbolischen Auffassungen. Danach verweise die Zwölf auf eine Verbindung von Trinität und Quaternität und zeige somit Vollständigkeit und Geschlossenheit an. - Wenn die Zwölf im Träumen direkt oder indirekt als Stundenzahl erscheint, dann hat sie in der Regel die Bedeutung, dass es höchste Zeit ist.

Beispiel: Ein Träumer sah vor sich einen regellos mit Papier bedeckten Tisch. Durch das zum Garten geöffnete Fenster hörte er gleichzeitig das Mittagsläuten zweier Kirchen. Dieser Traum verwies ihn auf seine lustlos vor sich hergeschobene akademische Abschlussarbeit, deren gefährdete termingerechte Fertigstellung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen.

Literatur: Standard

Autor: Fritzsche, Bernd; Heinke, Ellen