Auge

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Keyword: Auge

Links: Licht, Logos-Prinzip, Sonne

Definition: Das Auge (von indogermanisch "ok = sehen", stammverwandt mit griechisch: "optikos") ist das Sehorgan von Mensch und Tier. Es setzt elektromagnetische Reize in die Empfindung von Licht und Farbe um.

Information: 90 bis 95 Prozent aller Sinneswahrnehmungen des Menschen sind optische Reize. Der Mensch kann etwa zehn Millionen verschiedene Farben wahrnehmen. Die Augenmuskeln sind sehr aktiv, sie bewegen sich am Tag zirka 100000 mal; selbst in der Nacht machen sie keine Pause.

Interpretation: Nach Platon ist das Auge das am meisten der Sonne ähnliche Sinnesorgan des Menschen. Es verkörpert Helligkeit, Licht, Hellsichtigkeit, Geist. Es ist Symbol der solaren – "oberen" – Götter. Der griechische Sonnengott Helios wurde Panoptes, d. i. der alles Sehende genannt. Die Allwissenheit der Dreifaltigkeit Gottes wird in der christlichen Ikonographie als Auge in einem Dreieck dargestellt. Ein Auge in der Kuppel von Gotteshäusern symbolisiert die Öffnung zum Himmel. Die mit Innenschau verbundene Erkenntnis, die Erleuchtung, kommt durch ein drittes Auge, das Stirn-Auge zum Ausdruck. In der Bergpredigt heißt es: "Das Licht des Leibes ist das Auge. Wenn nun dein Auge lauter ist, wird dein ganzer Leib voll Licht sein." (Mt. 6, 22)

Das Auge ist das faszinierendste unter den Sinnesorganen des Menschen. Es ist der intensivste Ausdruck der Macht seiner Seele und seines Geistes. Es ist ambivalent und sowohl im Guten wie im Bösen wirksam. In der ganzen Welt kennt man, z. Tl. bis heute, die Furcht vor dem "bösen Blick". Über diesen kommen teuflische Mächte ins Spiel, die Tiere und Menschen mit Krankheit und Tod schlagen. Der Gefahr des bösen Blickes begegnet man mit apotropäischem Zauber. In Griechenland z. B. heftet man Säuglingen ein Augen-Amulett an die Kleidung, um sie zu schützen. Der Blick des Auges hat aber auch heilende Kraft: er vertreibt, ebenfalls auf apotropäische Weise, die dunklen Mächte, die in der Krankheit wirksam sind.

Die Sprache kennt das "leuchtende", "blitzende", "strahlende", auch das "stumpfe" Auge. Wir "werfen den Blick" auf etwas. Jettatori (ital.) – Werfer sind Menschen, die durch den bösen Blick Unglück auf andere werfen. Wir sprechen davon "mit Blindheit geschlagen" zu sein und dass "Blicke töten" können.

In dem Märchen "Einäuglein, Zweiäuglein, Dreiäuglein" (KHM 130) ist in der Zweiäugikeit die Ganzheit durch Sonne und Mond symbolisiert, die sich in den silbernen Blättern und goldenen Früchten von Zweiäugleins Baum wiederholt.

Bildende Künstler und Dichter hat das Auge in vielfältiger Form beschäftigt. Goethe z. B. betont das Sonnenhafte des Auges: "Wär' nicht das Auge sonnenhaft, die Sonne könnt' es nicht erblicken [...]"

In der Analytischen Psychologie symbolisiert das Auge das Bewusstsein und die durch dieses möglich gewordene Einsicht. Es ist ein archetypisches Symbol und wird dem männlichen (Licht)-Prinzip zugerechnet. In seiner empfangenden, das Licht aufnehmenden Funktion hat es auch weibliche Qualität. In gewissen Zusammenhängen kann es auch als Ganzheitssymbol aufgefasst werden.

In Träumen, Imaginationen und Zwangsvorstellungen kommt das Auge in der analytischen Behandlung in vielerlei Zusammenhängen vor. Ein Beispiel: Ein Mann im mittleren Alter wurde vom Beginn der analytischen Behandlung an von der zwanghaften Vorstellung verfolgt, beobachtet zu werden. Er wurde misstrauisch und unsicher, Schuldgefühle traten scheinbar grundlos auf. Er versuchte seinen Zustand zu malen und gestaltete ein übergroßes Auge, das er mit dem eindringenden und allgegenwärtigen Auge Gottes in Zusammenhang brachte. Er erinnerte sich daran, dass ihn dieses Auge in der Kindheit überall hin verfolgt und er sich nirgends vor ihm sicher gefühlt hatte. Durch das Bild des Auges wurde die massive Schuldproblematik deutlich, die in der religiösen Erziehung des Mannes wurzelte.

Literatur: Standard, Seligmann, (1922)

Autor: Daniel, Rosmaire