Zombie
Keyword: Zombie
Links: Dämon, Geist, Gespenst Jenseits, Nacht, Seele, Teufel, Tod
Definition: Zombies sind lebende Tote, "Untote", die als tote, oft seelenleere Körper in der Welt herumirren; möglicherweise ist diese Vorstellung verbunden mit dem Glauben früher Kulturen an ein Leben nach dem Tode.
Information: Viele Kulturen rüsteten ihre Toten für die Fahrt ins Totenreich mit Waffen, Kleidung, Nahrung etc. aus. In einigen Kulturen herrschte offenbar die Angst davor, dass die Verstorbenen wieder zurück kommen und Schaden anrichten könnten. Wo diese Vorstellung herrschte, wurden entsprechende Vorkehrungen bei der Bestattung der Toten getroffen, die es ihnen unmöglich machen sollten, wieder aufzuerstehen und das Grab zu verlassen, z.B. durch Fesseln der Toten, Einsperren in fest verschlossenen Särgen, Brechen der Knochen, Pfählen oder Verbrennen der Leichen.
Der alte Volksglaube kennt Untote unter dem Namen Wiedergänger als eine Form der dunklen, ängstigenden, schwarzen Geister: unerlöste Seelen, die als lebende Tote ihr Unwesen treiben, oft in der Nähe von Friedhöfen oder an Orten, an denen ihnen Schreckliches widerfahren ist oder an denen sie anderen Schreckliches angetan haben. Manchmal sind Wiedergänger plötzlich aus dem Leben Gerissene, die noch eine Aufgabe zu erledigen haben, bevor sie zu den Toten gehen können. Manchmal sind Wiedergänger auch von bösen Geistern besetzte Körper von Toten, Mumien oder wandelnde Skelette.
Wieder belebt und neu gestaltet wird das Motiv der Untoten in der kompensatorischen Ausgleichs- und Gegenreaktion auf die Ideen der Aufklärung. Gerade schien es möglich mit dem Logos und Rationalität des hellen, trennenden, solaren Bewusstseinslichtes Religion, Aberglauben und das Unbeherrschbare und Unkontrollierbare zu besiegen, da kehrten Volksglauben, Märchen, Sagen und Mythen mit dem geheimnisvollen Licht des Mondes, mit Schauder und Horror in der Romantik und in den okkultistischen Strömungen des 19. und 20. Jahrhunderts zurück: W. Hauff, H. Heine und R. Wagner bearbeiteten beispielsweise die Gestalt des fliegenden Holländers aus einer alten Seefahrerlegende literarisch und musikalisch, T. Storm schrieb die Novelle vom Schimmelreiter. Einer der bekanntesten Untoten, der im 20. Jh. in Horrorerzählungen immer neu gestaltet wird, ist der Vampir. Manchmal, u. a. in zeitgenössischen modernen Filmen, kehren Wiedergänger auch als hilfreiche Figur oder Engel in die Welt zurück wie im Film "The sixth sense".
Der Zombie entstammt den mit den afrikanischen Sklaven nach Amerika gelangten Vorstellungen und Ritualen des Voodoo-Kultes. Abgeleitet ist die Bezeichnung Zombie vermutlich von zumbi, dem Namen für einen Geist oder Totengeist. Im Voodoo Haitis und Südamerikas wird als Zombie 1. ein zu neuem Leben erweckter Toter, 2. auch der zur Wiederbelebung nötige Geist und 3. eine Schlangengottheit genannt. 4. können Zauberer einem Lebenden seine Seele rauben und diesen dann als Zombie, d.h. als willenlosen Körper ohne Seele, beherrschen. In Horrorfilmen und -geschichten ist diese Zombie-Variante manchmal aufgegriffen in somnambulen oder hypnotisierten, willenlos gesteuerten Menschen, wie etwa 1919 in "Das Kabinett des Dr. Calligari". S. Kubricks Hauptfigur in "Clockwork Orange" (1971) kann als vom Verbrecher zum willenlosen Zombie therapierte Gestalt interpretiert werden.
Zombies und Untote gehören in Fantasy- und Horrorliteratur und -film, den Comics, Video- und Computerspielen des 20. Jahrhunderts zum Standardfigurenrepertoire. Von Gespenstern und Geistern unterscheiden sie sich dadurch, dass sie körperlich-materiell vorhanden sind und wirken können. Während Vampire wie Dracula ihrem Sarg nachts als unverwester, lebender Leichnam entsteigen, zeigen Zombies häufig Spuren der Verwesung, treten in Horden auf und sind nicht mehr als individuelle Menschen mit persönlicher Biografie und eigenem Motiv erkennbar, sondern degradiert zum Werkzeug und Objekt anderer. Manchmal können Zombies (ähnlich wie Vampire oder Werwölfe) durch Bisse andere Menschen in Zombies verwandeln. Getötet werden können sie oft durch Zerstörung des Gehirns.
Interpretation: Zombies und Untote symbolisieren dunkle Schattenseiten, die im Einzelnen wie in der Gesellschaft wirksam sind. Es sind entweder wichtige, z. B. vitale, lebenshungrige, sexuelle und aggressive Anteile, die aus dem Leben verbannt wurden und nun ihr "Unwesen" im Unbewussten treiben. Vielleicht "metzeln" Jugendliche gerade deswegen in ihren Computerspielen so gerne Zombies ab, weil in der Pubertät mit ihrem Triebpotential so viele aggressive und sexuelle Schatten- und Dunkelaspekte bekämpft werden müssen, um überhaupt ein dem Fremd- und dem Eigenanspruch gegenüber als ein einigermaßen akzeptiertes Ich bestehen zu können. Es kann sich aber bei den Zombies auch um Aspekte handeln, die wirklich überlebt sind, von denen man sich aber durch Gewohnheit und Anpassung nicht trennen kann und die im Leben noch herumirren, nicht sterben können. Auch können sie süchtige und triebhafte Anteile darstellen, von denen man nicht weiß, wie man mit ihnen am besten umgehen kann. Weiter können sie depressive, "seelenverlorene" Zustände symbolisieren.
Im Allgemeinen sind Zombies dem Schatten- und Dunkelreich zugehörig, unmenschlich, verloren, feindlich und nicht mehr in die Gemeinschaft zu integrieren, obwohl sie einmal Menschen waren. Vor allem in animierten Filmen und Spielen müssen sie oft "massenweise" mit Sägen, Keulen und Waffen jeder Art niedergemetzelt werden. In der Popkultur ab den 80igerJahren des 20. Jahrhunderts zieren Zombies und Untote Covers von CDs, tanzen in Videoclips. Umgangssprachlich abwertend werden z. B. die Anhänger der Jugend-Gothic-Szene als Zombies bezeichnet oder die sogenannten Computerkids, die ihre Zeit im Übermaß mit Computer- und Internetspielen verbringen. Umgekehrt sehen Jugendliche oft die manchmal die etablierte, angepasste, scheinbar geistlos und stupide vor sich hin arbeitende und konsumierende ältere Generation als lebende Tode.
Beeindruckend deutlich vermögen Pubertierende und Adoleszente zu beschreiben, wie tot ihnen die Erwachsenen vorkommen. Die Angst davor, schließlich doch genau so zu werden wie sie, kann eine protestierende Gegenbewegung auslösen, die sich z. B. in schwarzer Kleidung, Totenkopfschmuck und schwarz-weißer Schminke spiegelt. Sie kann auch den extremen pubertären Rückzug in die Welt der Medien und Computer auslösen. Manche Jugendliche bezeichnen die Symptome schwerer depressiver und narzisstischer Phasen, die als Leere beschrieben werden auch mit: "Ich komme mir vor wie ein Zombie."
Eine 16jährige Jugendliche kam auf Druck ihrer Eltern zur Therapie, weil sie keine Lust mehr hatte, zur Schule zu gehen. Seit ihre Ratte vor einem halben Jahr gestorben war, lag sie praktisch nur noch im Bett, konnte sich zu nichts aufraffen, kiffte, schaute heimlich Horrorfilme und -videos. Sie konnte nicht an der Realschulabschlussprüfung teilnehmen und musste die Klasse wiederholen. Sie war immer blass, hatte schwarze Lippen und Augen, trug schwarze Kleidung, die lange Zeit, wenn sie kam, mit Erde verschmutzt war. Sie müsse jeden Tag am Grab der Ratte knien. Sie habe eigentlich zur Schule gewollt, eine gute Prüfung machen und danach weiter ins Gymnasium gehen wollen. Aber sie sei morgens einfach nicht in der Lage aufzustehen.
Die Jugendliche, die früher immer mit der U-Bahn zur Schule gefahren war und auch zur Therapie auf diesem Wege kam, berichtete über einen langen Zeitraum zu Beginn ihrer Therapiestunde zuerst, was sie in der U-Bahn erlebte. Die Menschen, denen sie begegne, seien so wie die "Grauen Herren" in Michael Endes "Momo": leere, graue, gierige, verzehrende, nichtssagende, leblose, tote Gestalten. Wie Vampire oder wie Zombies kämen sie ihr vor. Oft spüre sie regelrecht, wie alle versuchen würden, sie auch zu einer der ihren zu machen. Sie vermeide jede Berührung mit ihnen. Bevor sie selber so werde, möchte sie lieber gar nichts werden, im Bett bleiben, um ihre Ratte trauern. Ihre Ratte sei das einzige Wesen, das nicht in dieser Welt gelebt habe. Sie könne sich überhaupt nicht vorstellen, so zu leben, wie die beruflich erfolgreichen Eltern (Vater, Manager und Alkoholiker, Mutter politisch tätig und "wichtig") und deren Freunde das taten: arbeiten, immer in Eile sein, keine Zeit haben, immer grau und müde aussehen. Die Frage, wie man in einer solchen Gemeinschaft von Untoten und Scheintoten leben könne, ohne genau so zu werden, schien ihr - vorausgesetzt, sie wolle sich nicht umbringen oder totkiffen - nicht anders zu lösen, als entweder als Punker unter einer Brücke zu leben, wovor sie sich fürchte oder auszuwandern, wofür sie kein Geld habe.
Ein 13jähriger Jugendlicher, essgestört, stark übergewichtig und depressiv, versuchte seine Verzweiflung und Wut über Jahre hinweg mit Rückzug, Passivität und Verweigerung zu kontrollieren. Er sprach praktisch mit den Eltern nicht mehr, weil jedes Gespräch in destruktive Streitereien mit Tätlichkeiten von beiden Seiten ausartete. "In mir ist es dunkel und leer. Es ist, als ob ich keine Seele mehr habe", beschreibt er seinen verzweifelten Zustand als 14jähriger. Etwa ein halbes Jahr später hat er etwas gefunden, was ihn in Kontakt mit anderen Menschen bringt: Internet. Er chattet und kommt darüber mit dem Spiel "World of Warcraft" in Kontakt. In dem Internetspiel kann man zu Beginn seinen Charakter aus zwei Gruppen wählen, einer "Allianz", in der die Menschen mit anderen Völkern verbunden sind und einer "Horde", in der eines der Völker das Volk der Untoten ist. Dieses Volk der Untoten wählt er und spielt sich als untoter Krieger monatelang durch 60 Schwierigkeitslevel hindurch.
Literatur: Standard
Autor: Müller, Anette