Aufstieg
Keyword: Aufstieg
Links: Abstieg, Berg, Held, Nachtmeerfahrt, Oben, Progression, Regression
Definition: Hinaufsteigen von einer tieferen auf eine höhere Ebene.
Information: Aufstieg als Anstieg, Besteigung, Erkletterung, Ersteigung ist ein oft mühsames Tun. Die Richtung nach oben, zur "Spitze", ist in unserer leistungsorientierten Gesellschaft eher positiv getönt. Ein Aufstieg wird meist als eine günstig bewertete Aufwärtsentwicklung gesehen. In diesen Kontext gehören: Aufschwung, Aufwärtstrend, Aufstieg einer Dynastie oder eines Weltreiches, Boom, Rush, Wirtschaftsaufschwung, Aufsteigen auf der Karriereleiter usw.
Interpretation: Der Aufstieg folgt oft dem Abstieg oder wird von jenem gefolgt. Während der Abstieg im psychotherapeutischen Prozess eine Regression ins Unbewusste und z. B. auch der Zerlegung (Separatio) und Auflösung der Persönlichkeit in ihre funktionalen Komponenten bedeuten kann, stellt der Aufstieg eine Progression ins Bewusstsein und ins konkrete Verhalten und den synthetischen Prozess der Zusammensetzung der Ganzheit dar. Das auf der Heldenreise gefundene oder erworbene kostbare Gut soll nun ins Leben und in die Persönlichkeit integriert werden.
In den Mythen, Märchen und Erzählungen wie auch in unseren Träumen spiegelt sich diese Neuwerdung und Rückkehr, der Aufstieg aus dem Schatten- und Todesreich der Seele, in vielfältigen Bildern und Symbolen. Während der Abstieg sich in Bildern der Dunkelheit, der Nacht, des Winters, der Verlassenheit und Einsamkeit, der Desorientierung, der Krankheit, der Gefahr, der Zerstörung, der Auflösung, des Abgrundes usw. darstellt, kündet sich die glückliche Wiederkehr – die Progression – in gegenteiligen Symbolen an. Meist sind es Anfangs-, Licht-, Ordnungs- und Vereinigungssymbole: der Frühling, das neugeborene Kind, das Grünende und Farbige, die Dämmerung und der Tag, die Sonne und das Licht, das Mandala, die Herstellung eines guten Kontaktes zu Mitmenschen, das gesellige, feiernde Beisammensein, der Tanz, die Feier, die glückliche sexuelle Vereinigung.
Es erweist sich, dass der gefürchtete Weg nach unten zugleich auch ein Weg aufwärts ist. Der Abstieg bringt eine Erhöhung bzw. Vertiefung des Lebens, das Leiden des Ich-Bewusstseins führt zur Erlösung des Selbst, das Eintauchen in den Todesbereich führt zu einer Neugeburt.
C. G. Jung hat den Auf- und Abstieg als Prozess der Vereinigung der Kräfte des Unteren mit denen des Oberen beschrieben, entsprechend der für die ganze mittelalterliche Alchemie richtunggebenden Sätze der "Tabula Smaragdina": "Was unten ist, ist gleich dem, was oben. Was oben, ist gleich dem, was unten, und das dient zur Herbeiführung der Wunder des einen Dinges" und "Es steigt von der Erde zum Himmel auf und wiederum steigt es herab zur Erde, und es empfängt die Kraft der Oberen und der Unteren" (Mysterium Conjunctionis" (Jung, GW 14, l, § 281-290)
"Ascensus und descensus, Höhe und Tiefe, Auf und Ab beschreiben ein emotionales Realisieren von Gegensätzen, welches allmählich zu einem Ausgleich derselben führt oder führen soll. Daher kommt dieses Motiv auch sehr häufig in Träumen vor als das Den-Berg-hinauf-und-hinunter-Steigen, Treppensteigen, mit Lift, Ballon oder Flugzeug Auf- oder Absteigen usw [...] Die Gegensätze werden zu einem Gefäß, in welchem jenes Wesen, das zuvor bald das eine, bald das andere war, vibrierend schwebt, wodurch das peinliche Suspendiertsein zwischen Gegensätzen sich allmählich in eine bilaterale Tätigkeit des Mittelpunktes verwandelt. (Jung, GW 10, §290)
Literatur: Standard
Autor: Müller, Lutz