Unus mundus

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Keyword: Unus mundus

Links: Anthropos, Coniunctio, Eins, Einheit, Gottesbild, Kreis, Mandala, Mysterium coniunctionis, Synchronizität

Definition: Das Konzept des Unus mundus (lat. eine Welt) hat C. G. Jung in die Psychologie eingeführt und bezieht sich auf die eine Wirklichkeit (Einheitswirklichkeit, wie sie Erich Neumann nennt), die allem Sein zugrunde liegt.

Information: Der Begriff des Unus mundus hat eine lange Tradition und war von Anfang an symbolisch bestimmt. "Die mittelalterliche Naturphilosophie, von der dieser Ausdruck stammt, personifiziert diese Eine Welt als Sapientia Dei, durch die Gott sich erkennt als Anima Christi, Maria oder als praeexistenten Logos (verbum) und definierte sie als Vorbild (exemplar), oder als potentiellen archetypus mundus, oder als die Summe aller typi, oder primordiales causae, die im Geiste Gottes Weilenden, bevor er nach ihrem Vorbild die Welt erschuf." (Franz, M. -L., 1988, S. 53).

Schon in diesen Formulierungen zeigt sich das Bedürfnis und die Schwierigkeit, die Eine Welt konzeptuell zu fassen.

Interpretation: Es gibt Symbole, die in die Grenzbereiche des Erlebens und Bewusstseins gehören. Mit ihnen wird der immer wieder neue Versuch gemacht, Unsagbares doch zu vermitteln, statt von dem zu schweigen, von dem man nicht reden kann. Hierher gehören u. a. die Zahl Eins 1, die Null, das Tao, die Unio mystica wie auch die Synchronizität in ihrem symbolischen Gehalt.

Im Konzept des Unus mundus wird die absolute Einheit des Kosmos, eine nur umrisshaft angehbare Ganzheit in einer weltumspannenden Vision des All-Einen formuliert und bis in die Erkenntnisbereiche der Physik, Kosmologie und Psychologie, hier insbesondere der Analytischen Psychologie, verfolgt. In letzterer wird diese Gesamtschau im Einzelnen dargestellt (Archetyp, Selbst). Mythologien und Religionen bemühen sich seit Jahrtausenden in immer neuen Anläufen um die Einheit der erlebten Vielfalt, die Einheit des Kosmos doch noch zu erfassen.

Im christlichen Raum zeigt sich das im Ringen um das Verständnis der Dreieinigkeit, wie die drei Personen der Gottheit letztlich zu erfassen sind, im matriarchalen Raum in der dreifaltigen Göttin mit ihren vorzugsweise dargestellten drei Farben weiß, rot und schwarz. Diese Farben kennzeichnen auch die drei Schicksalsfäden, der Gunas.

In der westlichen wie in der östlichen Kultur werdem dem Lebensfaden die Farben weiß, rot und schwarz zugeordnet. Diese Idee der Gunas verbirgt sich auch hinter bekannten Märchen, z. B. Schneewittchen oder Schneeweißchen und Rosenrot."Die heiligen Farben tauchten so oft in hunderten von Mythen, Volkssagen und selbst in christlichen Bräuchen auf, dass Dante sie ins innerste seiner Hölle verlegte, um das Wesen von Gottes Widersacher zu versinnbildlichen: die drei Köpfe des Luzifers sind weiß, rot und schwarz". (Walker, 1996, S. 332)

Die Einheit oder das Eine ist das zentrale Thema der Mystik. Meister Eckehart umkreist es in seinen Predigten immer wieder neu und versucht dieses letztlich sprachlich nicht mehr Fassbare doch noch so zu beschreiben, dass es dem Erleben zugänglich wird."Gott ist namenlos, denn von ihm kann niemand etwas aussagen oder erkennen." "Kein Bild öffnet uns und die Gottheit noch Gottes Sein." Er geht sogar so weit, anzunehmen "dass etwas in der Seele ist, dass Gott so verwandt ist, dass es Eins ist und nicht vereint. Und: "Dieses einige Eine ist ohne Weise und ohne Eigenheit. Und darum: soll Gott je darein lugen, so muss es ihn alle seine göttlichen Namen kosten und seine personhafte Eigenheit; das muss er allzumal draußen lassen, soll er je darein lugen. Vielmehr, so wie er ein einfaltiges Eins ist ohne alle Weise und Eigenheit, so ist er weder Vater noch Sohn noch Heiliger Geist in diesem Sinne und ist doch ein Etwas, dass weder dies noch das ist." (Meister Eckehart, 1979, S. 353, S. 320, S. 215, S. 164).

Hier wird aus christlicher Sicht noch einmal der mutige Versuch gemacht, selbst über das Dreieinigkeitsdogma hinauszugehen.

C. G. Jung sah im Synchronizitätsphänomen zum ersten Mal einen empirischen Hinweis auf die Existenz eines solchen "Unus Mundus". Jung äußerte hierzu den bedeutsamen Satz, das Mandala sei die psychische, das Synchronizitätsphänomen hingegen die parapsychologische Entsprechung des Unus mundus. (v. Franz, M. -L., 1988, Symbole des Unus Mundus, S. 54) In diesem Zusammenhang wird die Verbindung zwischen dem Unus Mundus und der Mandalastruktur noch im einzelnen genau dargestellt.

Die umfassende Bedeutung und Wirkung des Konzepts eines Unus mundus für die Psychotherapie ist mit den hier dargestellten Fakten evident. Verfügt die Therapeutin oder der Therapeut über entsprechende Kenntnisse und persönliche Erfahrungen des archetypischen Kraftfeldes, so vermag sie und er den Menschen, die ihnen vertrauen, Wegweisung und Führung Schritt für Schritt anzubieten und zu vermitteln. Gerade die Hypothese des kollektiven Unbewussten in der analytischen Therapie ist eine tragfähige und gut begründete Basis für die entsprechenden Interventionen. In vielen Symbolen der Traumarbeit, der Aktiven Imagination und in Fantasien oder Visionen wird immer wieder ein Bezug auf den Unus mundus möglich und damit der Impuls, sich mit dem Großen und Ganzen zu verbinden, lebendig.

Der Archetypus eines Unus mundus zeigt sich heute in der Vielfalt der Ideen zur Globalisierung, wenn diese auch noch einseitig wirtschaftlich akzentuiert wird. Auch über das Internet bedarf es nur eines Mausklicks, um mit dem Ganzen in Verbindung zu kommen. Der Symbolgehalt dieser Handlungen wird jedoch noch kaum erkannt, es dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein, bis er selbstverständlich wird. Die Analytische Psychologie bietet mit dem Konzept des Unus Mundus und seinen archetypischen Varianten eine Basis, die Mensch und Welt, Psyche und Materie verbindet.

Literatur: Standard

Autor: Seifert, Theodor