Tau
Keyword: Tau
Links: Alchemie, Jenseits, Mond, Morgen, Nacht, Regen, Wasser
Definition: An der Erdoberfläche, an Gegenständen oder Pflanzen abgesetzte Wassertropfen, die durch Kondensation des Wasserdampfes aus der umgebenden Luft entstehen.
Information: Je nach Art der Kondensation werden verschiedene Arten des Taus unterschieden. Faszinierend ist, wie der Tautropfen in der Wüste oft die einzige Wasserversorgung der Vegetation ist. Das alte Volk der Nabatäer, dessen eine Stadt Petra sich in der Nähe des toten Meeres befindet, machte sich den Tau insofern zu Nutze, indem es sich Zisternen mit Tauwasser anlegte und so ganze Bewässerungsanlagen besaß, die rein vom Tau gespeist wurden.
Interpretation: Da der Tau am Übergang der Nacht zum Tag entsteht, bei Sonnenaufgang sichtbar wird, enthält er im Volksglauben auch Kräfte dieser Übergangszeit und gilt als Zaubermittel, andererseits gilt er somit auch als Sinnbild der Lebenserneuerung. Im chinesischen Volksglauben gehört der Tau zum Mond und gilt als Sinnbild der Unsterblichkeit. Im Griechischen galt er als Symbol der Befruchtung und Fruchtbarkeit. Im germanischen Volksglauben stammt der Tau aus der jenseitigen Welt, entweder aus dem Weltenbaum Yggdrasil oder aus der Mähne der Pferde der Walküren. Einen Zusammenhang zwischen dem Tauzeichen und unserem deutschen Wort Tautropfen sieht Rudolf Steiner: "Das Tauzeichen, das alte Kreuzeszeichen, heißt im Lateinischen Crux. Und was heißt Tau, Tautropfen? Ros; Ros-Crux ist unser Rosenkreuz." (Steiner, 1984, 264)
Im alchemistischen Wandlungsprozess gibt es auch den Meertau, den ros marianos: "Der Rosmarin (Ros-marinos officinalis) gilt in der alten Medizin als ein Gegengift; dies vermutl. aus symbolischen Gründen, die mit seinem merkwürdigen Namen zusam-menhängen dürften, wie ich oben erwähnt habe (ros marianos=Meertau, S. 257). Der Tau, der vom Meere kommt, bedeutet für den Alchemisten eine willkommene Analogie für die aqua permanens, die ihrerseits wieder nichts anderes als Mercurius ist.“ Jung GW 14/02, S. 264).
Sonst wird noch der schöpferische, befruchtende Aspekt des Taus in der Alchemie deutlich, auch dort steht er oft in Zusammenhang mit dem Mond: Als Ablutionswasser fällt der Tau vom Himmel, reinigt den Körper und bereitet ihn zur Wiederaufnahme der Seele vor, d. h. er bewirkt die albedo, den weißen Unschuldszustand, der mondähnlich und bräutlich den sponsos erwartet." (Jung GW 14/01, S. 144).
Angeregt einerseits durch das Grimmsche Märchen "Jorinde und Joringel" (KHM 69) und den geheimnisvollen sprachlichen Bezug zum Tao im Chinesischen und dem griechischen Buchstaben wurde für mich der Tautropfen zu einem lang anhaltenden Imaginationsinhalt. Er wurde für mich persönlich Sinnbild für etwas aus der Welt des Geistes, aus dem kollektiven Unbewussten, das im Hier und Jetzt Gestalt annimmt und eine Verbindung zwischen Wasser und Feuer herstellt und Spiegel-, d. h. Reflektionscharakter enthält. Ein ganzer Gedichtzyklus von mir entstand zu diesem Thema.
Das Glitzern und Funkeln der Tautropfen löst wohl bei jedem unbefangen blickenden Menschen Faszination und Freude über die Schönheit aus. Im Traum einer jungen künstlerisch begabten Frau waren die Tautropfen Tränen einer nicht in Erscheinung tretenden Göttin, die Schwestercharakter hatte. Durch den Traum empfing die Träumerin Trost und verstand den Traum als Aufforderung, das Leid gestaltend in Schönheit umzuwandeln (wie die Perle den überstandenen Schmerz symbolisiert), was auch als Bild in oben erwähntem Märchen enthalten ist. Der Traum erinnert an einen Volksglauben in der Oberpfalz, dass die Tautropfen die Tränen der gefallenen Engel sind.
Literatur: Standard
Autor: Thomas, Helga