Schwein

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Keyword: Schwein

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Definition: Das Schwein ist ein kurzbeiniges Säugetier mit gedrungenem Körper, länglichem Kopf, rüsselartig verlängerter Schnauze, rosafarbener bis schwarzer, mit Borsten bedeckter Haut und meist geringeltem Schwanz.

Information: Da der männliche und der weibliche Aspekt des Schweins jeweils für sich ganz eigene Symbolbereiche entwickeln, die mehr Verschiedenheiten als Gemeinsamkeiten enthalten, soll das weibliche Tier hier abgehandelt werden, während das männliche Tier unter Eber abgehandelt wird.

Der ursprünglich gemeingermanische Tiername lautet alt- und mittelhochdeutsch „swin“, gotisch „swein“, englisch „swine“ und schwedisch „swin“. Er ist eigentlich ein substantiviertes Adjektiv mit der Bedeutung „zum Schwein, zur Sau gehörig“ wie etwa auch das lateinische „suinus“ oder das russische „svinoj“.

„Schwein“ bezeichnete zunächst das junge Tier, später aber dann in den germanischen Sprachen allgemein die wilde wie die häusliche Form der grunzenden Spezies aus der Klasse der Paarhufer. Als Schimpfwort bezog sich „Schwein“ schon in mittelhochdeutscher Zeit auf die Schmutzigkeit und die Gefräßigkeit des Tieres. Generell verweist das alte Wort „swin“ aber sowohl auf die „Sau“ als Symbol der Faulheit und Fruchtbarkeit als auch auf den Eber als Sinnbild des Mutes. Griechisch heißt es „hys“, wovon „hystera“ (= “Gebärmutter“) abgeleitet ist. Der „Sau“ entspricht auch das lateinische „sus“, das mittelhochdeutsche „su“, das althochdeutsche „farh“, das griechische „phorkis“, das kretische „maris“ und das jakitische „pures“. Zum Wortfeld „hys“ gehört im Angelsächsischen das Wort „hogg“, im Neuenglischen „hog“ oder „hag“, im Althochdeutschen auch „hagazussa“ und im Mittelhochdeutschen „hecse“ oder „hesse“. Daher hatte die „Hexe“ im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit das Schwein als eines ihrer Lieblingstiere.

Interpretation: In der frühen neolithischen Keramik erschien die Erdgöttin – vor allem in schwangerem Zustand – in Gestalt einer Sau, die ihr dann besonders heilig war. Solange die Frauen den Ackerbau allein in der Hand hatten, wurde das weibliche Schwein verehrt. Seine Gewohnheit, mit dem Rüssel in der Erde zu wühlen, deutete auf eine natürliche Verbindung mit dem Säen und Ernten hin und führte dazu, dass es angebetet wurde. Außerdem beruhte seine Heiligkeit darauf, dass es schnell wächst und sich stark vermehrt. Daher galt sein rundlicher Körper vermutlich als Allegorie für die Fruchtbarkeit des Ackers, auf dessen Früchte es einen magischen Einfluss ausüben sollte.

Figuren und Vasen in Form eines Schweinekopfes mit Ohrringen zeigen, dass die in der Skulpturenkunst des Alten Europa der Jungsteinzeit dargestellte Sau eine Erscheinungsform der Großen Göttin des matriarchalen Zeitalters war. Im Neolithikum gab es auch Schweineorakel, die dann auch die Beziehung dieses Tieres zu Weisheit und Weissagung begründeten. Die Sau als Todesgöttin und Opfertier zugleich hatte ihre Funktion als Mittlerin zwischen Lebenden und Toten und wurde deswegen benutzt, um das Mysterium des Sterbens darzustellen, das zur Wiedergeburt führt. Überhaupt war das Schwein in den alten Kulturen vielfach ein Sinnbild für Fruchtbarkeit, Glück und Wohlstand. So wurde im jungsteinzeitlichen Malta eine säugende Muttersau mit 13 Ferkeln dargestellt. Das Tier kann aber auch für negative Aspekte stehen und Gefräßigkeit, Habgier, Wollust, Zorn, Unreinlichkeit und ungezügelte Leidenschaft repräsentieren. Wenn die Sau mit der Großen Göttin in Verbindung gebracht wird, nimmt ihre Symbolik nicht nur erdhafte, sondern auch himmlisch – lunare Züge an.

Arisch – sanskrit heißt Schwein „varahi“. Die Silbe „va“ findet sich im englischen „fearh“, im althochdeutschen „fark“, im mittelhochdeutschen „verchel“ und im neuhochdeutschen „Ferkel“ wieder. Die älteste Schweinegöttin Indiens war Vajravarahi, die „Diamantsau“, die das „tanzende“ Energiefeld des Menstruationszyklus personifizierte. „Vajra“ heißt übersetzt „Diamant“, der im asiatischen Raum immer auch ein Symbol für den Stern ist. Dieser wiederum versinnbildlicht die Gebärfähigkeit und Wiedergeburtsfähigkeit der Schweinegöttin. Der Tanz der „Diamantsau“ bedeutete Teilhabe am kosmischen Fest und seinen ewigen Wandlungen, und Vajravarahi repräsentierte dabei die zyklische matriarchale Weltordnung. Ein Hochrelief aus Nordindien, dessen ursprüngliches Grundmotiv vorvedisch, also um 1000 v. Chr. entstanden sein dürfte, das aber erst im siebten nachchristlichen Jahrhundert geschaffen wurde, zeigt eine eberköpfige Muttergöttin, die auf einem heiligen Lotosthron sitzt und ein kleines Kind auf dem Schoß hält. Sie repräsentierte die wechselnden Phasen des Mondes, der ständig stirbt, um wiedergeboren zu werden. Dies ist die bekannteste Darstellung von Vajravarahi, die hier als „Shakti“, d. h. als weiblicher Aspekt von Vishnu in seiner dritten Inkarnation als Eber Varaha erschien. Einerseits wurde sie dadurch zur Königin des Himmels und zur Quelle des Lebens und der Fruchtbarkeit; andererseits rückte sie damit in die Nähe der alten Erdgöttin und besonders der Schönheitsgöttin Lakshmi, die beide von Vishnu abhängig waren: entweder von ihm gerettet wurden oder als gehorsame Gattin dienten. An diesem Punkt zeigte sich in der indischen Mythologie wieder einmal auf markante Weise der Übergang vom Matriarchat zum Patriarchat.

Bei den alten Ägyptern wird die kosmische Göttin Nut als Frau oder als Kuh dargestellt. Aber sie nimmt auch die Gestalt eines Schweines an und verschlingt in der Morgendämmerung die Sterne, um sie am Abend aufs Neue zu gebären. Sie ist die „Muttersau, die ihre Ferkel frisst“ und den Sonnengott Re als eines ihrer Sternenkinder täglich zur Welt bringt. Als Symbol mütterlicher Fruchtbarkeit und der nicht versiegenden Lebensquelle wurde das Schwein mit seinen Ferkeln zu einem beliebten Amulett und Glückszeichen der Ägypter. Nut mit ihrer kosmischen Potenz erfuhr erst bei der späteren Solarisierung der Götterwelt ihre Reduktion auf die reine Himmelsfunktion und den Todesaspekt.

Im Neuen Reich bezeichnete man sie bloß als „Totengöttin“ und reihte sie im Prozess ihrer Entmachtung nur noch als eine der Gottheiten in die Neunheit des Totengerichts ein. Die entscheidende patriarchale Entwertung begann um 1350 v. Chr. unter Amenophis IV, der in Abgrenzung gegen die lunare Religion jetzt die Sonne als „Aton“ zum zentralen Gottessymbol einsetzte und seinen Namen dementsprechend in Echnaton änderte. Die Wiedergeburtshoffnung verschob sich im Laufe der nächsten Jahrhunderte von der Muttersau Nut auf den Sonnengott Re – Osiris. In der Übergangszeit von noch lunarer Religion und schon beginnender Patriarchalisierung wurden die Feste noch gefeiert, bei denen das heilige Schwein dem Mond geweiht war und zur Zeit des Vollmonds der Mondgöttin zu Ehren geopfert wurde. Aber je nachdem, ob Anbetung oder Abgrenzung überwog, verehrte man das Tier entweder als Göttin oder verfluchte es als das Böse. In der solaren Religion wurde das Schwein zum Symbol für die „verdammte Seele“ des zu verurteilenden Toten und der Gott Re – Osiris zum Hoffnungssymbol ewigen Lebens.

Die „weiße Sau“ war auch ein Aspekt von Isis, der ihre Darstellung als Kuh oder Geier noch zusätzlich ergänzte. Das Tier ist hier Thron der Göttin und Sitz der Vollmacht über Geburt und Wiedergeburt. Wenn Isis auf ihrem Wildschwein thront, so erscheint sie nackt durch ihren geöffneten Schoß in der kultischen Haltung der Menstruation und zeigt mit ihrer Vulva das Tor zum Elysium und mit ihrem Zyklusblut die Potenz der kosmischen Göttin. Die Wildsau ist hier der Uterus als Geburtsort und die mythische Stätte ewiger Verwandlungsvorgänge. Allerdings war eine wichtige Darstellung der Göttin in dieser Position einer süditalienischen Statuette aus der hellenistischen Spätzeit entnommen und ließ daher durchaus Zweifel zu, ob es sich bei der nackten Frau auf dem Schwein auch wirklich um Isis handelte, deren Kult in der römischen Spätantike nicht mehr matriarchale Rituale widerspiegelte, sondern patriarchal sehr stark überformt wurde.

In der griechischen Mythologie war das Tier besonders Demeter heilig und wurde ihr auch geopfert. Diese aus frühester Zeit stammende Muttergöttin besaß einen triadischen Charakter. Sie erschien zugleich als Kore, das Mädchen, als Persephone, die Nymphe, und als Hekate, die Greisin. Die erste stand für das grüne Getreide, die zweite für die reife Ähre und die dritte für das geerntete Korn. Denn Demeter war als „Mutter Erde“ die Personifikation des Bodens, Schutzherrin des Ackerbaus und der Fruchtbarkeit allgemein sowie die matriarchale Vegetationsgöttin par excellence, die mit ihren Gestalten den Kreislauf des Jahres spiegelte. Ihre Sage behandelt als Ausgangspunkt die Entführung ihrer Tochter Kore durch den Unterweltsgott Hades und ist Teil jenes Mythos, in dem die hellenische göttliche Dreifaltigkeit die vorhellenische dreifaltige Göttin mit Gewalt heiratete: Zeus die Hera, Poseidon die Demeter und Hades die Persephone. Sie bezog sich auf die männliche Übernahme der weiblichen Fruchtbarkeitsmysterien in primitiven Zeiten und signalisierte so den gewalttätigen Übergang vom Matriarchat zum Patriarchat.

Jedenfalls hütete zum Zeitpunkt von Kores Entführung in der Nähe der Schweinehirt Eubuleus seine Tiere. Als sich die Erde auftat, wurde der Mann mit seiner Herde von dem Abgrund verschlungen, in dem Hades mit seinem Opfer verschwunden war. Dieser Vorfall fand Eingang in das Ritual der Thesmophorien, eines der Demeter gewidmeten Erntefestes. Ferkel und phallische Symbole wurden in eine natürliche Erdspalte geworfen, die als Symbol für die Vagina der Muttergöttin diente. In diesem Zusammenhang heißt das Schwein auch „Delphax“, das „Uterustier“ der Erde. Demeter erhielt gewöhnlich eine trächtige Sau als Opfer. Zur Muttergöttin passte das Muttertier, zur versunkenen Tochter Kore die in die Schlucht geworfenen Ferkel. Das Schwein, das die geistige Kraft des Weiblichen versinnbildlichte, war bei den Griechen sehr beliebt, um sowohl den Körper als auch den Geist zu reinigen. Seine speziellen kathartischen Eigenschaften wurden gerade in den Geschichten von Demeter und Persephone durch die Einflüsse und Wirkungen der Unterwelt noch gesteigert. Der Glaube an die divinatorischen Fähigkeiten des Schweins breitete sich durch die prophetische Weisheit der alten Sauorakel immer mehr aus. Im früheuropäischen Mythos bedeutete „Schweinehirt“ Wahrsager und Magier. Eubuleus dürfte eigentlich der Priester von Demeter gewesen sein, der die ihr geweihten Tiere in einem heiligen Hain unter seiner Obhut hatte. Bei den Thesmophorien gedachte man durch die Ferkelopfer auch dieses besonderen Dieners der Orakelgöttin. Eine andere griechische Gottheit, die mit Schweinen zu tun hatte, war Kirke, die Tochter des Sonnengottes Helios und seiner Geliebten Perseis. Sie lebte auf der Todesinsel Aiaia, dem Jenseitsland und roten Elysium, nicht weit entfernt vom Okeanos und dem Schattenreich des Hades. In Homers „Odysee“ wurde sie als „schöngelockte, hehre und melodische Göttin“ geschildert, bevor die Tradition sie später zur magischen, bösartigen Hexe machte. Aber sie erinnerte als Herrin der wilden Tiere, Urzauberin der Liebe, prophetische Unterweltsbotin und Weberin des Schicksals in vieler Hinsicht an die Große Göttin der matriarchalen Vorzeit, die über Leben und Tod sowie die Wandlungen vom einen Zustand zum anderen geherrscht hatte. Die Patriarchalisierung spaltete Kirke aus ihren komplexen Seinsbezügen ab und entwarf dadurch das negative Bild einer Dämonin, deren unmittelbarer Übergang von der bösen Zauberin zur liebenden Frau nicht verstanden, allenfalls als Zeichen von Schwäche empfunden wurde. Dabei spielte die Göttin hier eine Initiationsmeisterin, die ihren Helden in die Geheimnisse des Eros einweihte. Wenn er seine Prüfungen bestanden und sich ihrer als würdig erwiesen hatte, schenkte sie ihm ihre Liebe. Während der Initiation verwandelte sie ihn auch in das gleiche Tier, das ihm selbst ursprünglich heilig gewesen und in dessen Gestalt er üblicherweise erschienen war: im Falle von Kirke und ihren Männern das Schwein. Was also eigentlich nur Durchgangsstadium und Vorbereitung für die Mannbarkeit und deren Umsetzung in der „Heiligen Hochzeit“ zwischen Göttin und Heros gewesen war, wurde nun im patriarchalen Denken zur Strafe uminterpretiert und als Rückfall in die matriarchale Phase der Menschheitsentwicklung gewertet, die es jetzt zu überwinden galt. Kirke war an sich eine kosmische Wandlungsgöttin, deren Insel als Ort zyklischer Wiedergeburten nach dem Gesetz des „Stirb und werde“ erschien. Die Verzauberung der Gefolgsleute des Odysseus erfolgte noch ohne moralisierte negative Beurteilung der Schweine. Doch in späteren Mythen erfuhren nach den Lehren der Pythagoräer nur noch lüsterne Menschen eine Verwandlung in diese Tiere, die nun als „Dreckschweine“ sexistisch gefärbt abgewertet und in der Folge auch dämonisiert wurden. Die germanische Göttin Freyja ritt und thronte auf dem Schwein Hildisvini, das weiblicher Natur war. Bei ihren Festen wurde ihr auch die trächtige Sau Sônargöltr geopfert. Ihr Name bedeutete „Herrin“. Freyja war Göttin der Liebe, Schönheit und Fruchtbarkeit und lebte mit ihrem Bruder Freyr in inzestuöser Geschwisterehe zusammen. Doch wurden ihr sexuelle Beziehungen noch zu vielen anderen Göttern unterstellt. Die patriarchale Mythenredaktion machte sie zur germanischen Aphrodite und damit auch zur göttlichen Hure. Wie ihre griechische Verwandte einen magischen Gürtel hatte, so besaß Freyja den Halsschmuck „Brisingamen“, der ihre Zaubermacht und ihren Reichtum zum Ausdruck brachte. Als Mädchengöttin fuhr sie auf einem Katzenwagen und flog in Gestalt einer jungfräulichen Walküre in die Schlacht. Dort bestimmte sie über Leben und Tod der Kämpfer und nahm die Gefallenen als Totengöttin auf ihren Flügeln ins Jenseits mit. Ihr Saal in dieser „anderen Welt“ hieß „Folkwang“ und war ein Ort von Freude, Glück, Liebe, Musik, Tanz und Kunst, also eine Art germanisches Paradies. Außerdem gehörte Freyja auch ein magischer Kessel, aus dem das inspirierende Getränk Met floss. So erwies sie sich auch als Göttin der Zauberei und Weissagung. Aufgrund ihrer erotischen Kraft ließ sie Felder, Tiere und Menschen fruchtbar werden, gewährte ihre Hilfe allen, die sie in Liebesangelegenheiten darum baten, und wurde als Frauengöttin besonders von Schwangeren in der Stunde der Geburt angerufen. Wegen ihres umfassenden Fruchtbarkeitsaspekts hatte Freyja auch den Beinamen „syr“ (= „Sau“), nach dem möglicherweise Syrien benannte worden sein kann, und wurde oft mit einer Sau verglichen. Der patriarchale oberste Asengott Odin belegte die Geschwisterehe mit dem Inzesttabu und beendete die matriarchale Ordnung und Herrschaft der Großen Göttin, indem er sie als Frigg zur treuen gezähmten Gattin und als Freyja zur ihm untergeordneten Walkürentochter machte. Dieser Entwertungsprozess wurde durch die beginnende Christianisierung noch verstärkt. Der „heidnische“ Kult der Schweinegöttin wanderte nun in den Aberglauben ab, erhielt sich aber noch meist einige Zeit in den Ackerbauriten. Freyja wurde nun zur Hexe, ihr „Freitag“ zum Pechtag und ihre Katze zum Unglückstier. Schon im alten Ägypten galt das Schwein als unrein, weil es als Symboltier des bösen Seth aufgefasst wurde, obwohl man es andererseits bei bestimmten Anlässen verzehrte und auch als Haustier hielt. Die Juden übernahmen die ablehnende Haltung gegenüber dem Tier, setzten sie aber konsequenter um. Selbst bei Androhung von Todesstrafe würde kein Anhänger des mosaischen Glaubens Schweinefleisch gegessen haben. Mit diesem Verbot war die Ablehnung der Großen Göttin als heidnischer Fruchtbarkeitskult verbunden. Nicht-israelitische Völker insgesamt wurden von den Juden als Schweine bezeichnet, wodurch die Sau das Symbol für die verachteten Andersgläubigen abgab. Damit ging auch die Ausmerzung der matriarchalen Religion und die Entwertung der Frau einher. Der Mann projizierte das innere Bild des durch ihn selbst unrein gemachten Schweines auf alles, was mit weiblichem Wesen im eigenen wie im kanaitischen Volk zu tun hatte. Der Erdgöttin mit Essen ihres heiligen Tieres zu huldigen, wurde zur größten Kränkung und Lästerung von Jahwe. Das Schwein, das Menstruationsblut, die Geburt und der Tod im Naturzyklus waren die heiligen Erfahrungen in der matriarchalen Religion. Die neuen Gesetze verfluchten und unterdrückten sie für den patriarchalen Kult. Das Christentum setzte diese Tradition der Abwertung des Tieres nahtlos fort. Hier galt das Schwein wegen seiner Vorliebe zum Wühlen in Schlamm und Unrat und wegen seiner Gefräßigkeit als Bild der Unkeuschheit, Maßlosigkeit, Niedrigkeit, Verrohung und Unwissenheit. Die christliche Bilderwelt stellte oft den Exorzismus von Jesus dar, der die Dämonen aus Besessenen dadurch austrieb, dass er sie in eine Herde von 2000 Schweinen „ableitete“, die sich daraufhin ins Meer stürzten. Allerdings grenzte sich die mittelalterliche Kunst auch vom Judentum ab und verspottete es allegorisch in ihren Werken, in denen oft die Synagoge auf einer Sau reitend erschien. Manchmal tauchte dort das Tier auch als Beigabe zur Personifikation der Erde und als Sinnbild der in diesem Zusammenhang gebrandmarkten Laster auf. Mit dem Aufkommen des Hexenwahns und der Frauenverfolgungen geriet auch das Schwein in den Bannkreis des Bösartigen und wurde zu einer Verkörperung Satans. Die Inquisitoren und das aufgehetzte Volk machten aus ihm ein besonders beliebtes Reittier von Teufeln, Hexen, Toten, Dämonen und Ketzern. Im positiven Sinn war es ein Attribut des Einsiedlers St. Antonius von Koma, der als Schutzpatron der Tiere gegen Viehseuche helfen soll. Der Speck einer Sau, der „Antoniusteuer“ genannt wird, gilt als Heilmittel gegen die Blatterrose. Auf der tiefenpsychologischen Ebene hat sich Erich Neumann über das weibliche Schwein in „Ursprungsgeschichte des Bewusstseins“ von 1949 ähnlich ausführlich wie über den Eber geäußert. Dabei geht er von der nackten Göttin aus, die auf der Erde schläft und sich der Liebe hingibt. Diese erscheint als eine frühe Stufe der Großen Mutter. Ihr zugeordnet ist das Schwein als das Vielgebärende. Auf ihm reitet die Göttin mit gespreizten Beinen noch im höchsten Mysterium von Eleusis. Die Sau als urzeitliches Bild der Großen Mutter und als Symbol der Erdfruchtbarkeit taucht schon in der frühesten Phase der kosmischen Projektion an den Himmel auf. So werden etwa Nut, Isis und Seth mit dem Tier in Verbindung gebracht. Diese Linie lässt sich von Ägypten über Kreta und Vorderasien bis nach Griechenland verfolgen. Auch ist das Schwein ein altes, primitives Sinnbild für das weibliche Genitale und wird dadurch mit Sexualität und Fruchtbarkeit verknüpft. Überall da, wo ein Verbot besteht, Schweinefleisch zu essen, und wo das Tier als unrein erklärt wird, ist sein ursprünglich sakraler Charakter gewiss. Außerdem steht es im Zusammenhang mit Demeter, deren Kultort Eleusis es auf Münzen als Symbol der Mysterien zeigte. So repräsentiert das Schwein insgesamt das Weibliche als den gebärenden und empfangenden Schoß. In seiner Bedeutung als Uterus – Tier gehört es zur Erde, die in den Thesmophorien das Ferkel – Kinderopfer in ihren Schlund hinabzieht und zu ihrer Befruchtung entgegennimmt. Während die Sau im Matriarchat das bevorzugte und für die großen Muttergottheiten heilige Opfertier ist, wird es in der Umkehrung des Patriarchats wie der Eber zum Inbegriff des Bösen. Hedwig von Beit behandelt in ihrer „Symbolik des Märchens“ von 1952 auch die Sinnbildlichkeit des Schweins. So ist etwa eine wilde, goldglänzende Sau ein eindrucksvolles Bild für die noch undomestizierte, halb verderbliche, halb Erleuchtung bringende Macht der seelischen Tiefe. Als Mutterschwein symbolisiert das Tier die Magna Mater und repräsentiert das Unbewusste in seiner Stofflichkeit und seiner gestaltbildenden Funktion. Wenn der Märchenheld die Sau einfängt, so bedeutet dies, dass er dieses Licht der inneren Finsternis in die Bewusstseinssphäre einbeziehen kann, wodurch auch diese erleuchtet wird. Schweineopfer wurden überall in den alten Kulturen den unterirdischen Mächten dargebracht und dienen im Märchen dazu, der Profaneinstellung des Bewusstseins ihre vitalen Kräfte zu entziehen, die dann der Verwirklichung des inneren Persönlichkeitskerns zugeführt werden sollen. Das Schwein stellt oft eine niedere Erscheinungsform des Unbewussten dar, ist den chthonischen Göttern und besonders der Muttergottheit zugehörig und verkörpert die dumpfeste Befangenheit in Lust und Triebhaftigkeit. Es versinnbildlicht im Osten Sinnenlust und in der westlichen Antike Fruchtbarkeit. Im Matriarchat hatten Sau und Eber noch überwiegend positive Bedeutung, die im Patriarchat allerdings ambivalent unter negativem Vorzeichen wurde. Die Mythen und Märchen von der indoeuropäischen Zeit bis heute spiegeln diese Zwiespältigkeit wider. Soweit noch die alte mutterrechtliche Struktur durchschimmert, erscheint das Schwein in seinen „guten“ Eigenschaften. Wenn jedoch die vaterrechtlich geprägte Überformung zu dominant wird, tauchen Sau und Eber vor allem als Verkörperungen des Sündigen und Bösen auf. Die negative Verwendung des Ausdrucks „Schweinerei“ belegt diese Zusammenhänge bis auf den heutigen Tag.

Literatur: Standard

Autor: Schröder, Friedrich