Schwarz

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Keyword: Schwarz

Links: Chaos, Farbe, Nacht, Nigredo, Schatten, Tod

Definition: Schwarz ist die Bezeichnung für eine Farbempfindung, welche beim Fehlen eines Farbreizes entsteht.

Information: Keine.

Interpretation: Die starke Wirkung des Schwarz beruht psychologisch auf dem Erlebnis des Dunkelwerdens, der Nacht, dem damit verbundenen Verlöschen aller Farben. Das unbunte Schwarz des vor seiner Auffaltung stehenden Farbspektrums drückt symbolisch das Urchaos aus, und steht psychologisch für das Unbewusste. In der Alchemie stellt Schwarz das Stadium der Nigredo dar, dem ersten Stadium des alchimistischen Opus. Die Prima Materia gerät in das Stadium der Schwärzung, verdunkelt sich, wird zur Schlacke.

Im therapeutischen Prozess, den C. G. Jung öfters mit dem alchemistischen vergleicht, entspricht dieses Stadium der Begegnung mit dem „Schatten", der in jeder Psyche vorhanden ist. Als Trauerfarbe steht es dem resignierenden Schmerz nahe. Der Maler Kandinsky bemerkt zu Schwarz: „Wie ein Nichts nach dem Erlöschen der Sinne, wie ein ewiges Schweigen ohne Zukunft und Hoffnung klingt innerlich das Schwarz".

Die antike Temperamentenlehre ordnet das Schwarz dem Melancholiker zu, der von der „schwarzen Galle" dominiert wird. Heimendahl (1961) nennt Schwarz die Gegenfarbe des lebensoffenen Weiß, wie in Finsternis verschlossen, wie verkohltes Leben, erscheint es uns als die Todesfarbe, aber auch die Farbe der dunklen Geheimnisse, des Tabu, der Magie. Im Lüscher-Test gibt Schwarz die „Stauung, Abwehr und Verdrängung von Reizeinflüssen" wieder. Schwarz bedeutet daher Verzicht. Wer Schwarz an erster Stelle wählt, will aus trotzigem Protest verzichten, an achter Stelle - am häufigsten gewählt -, heißt dagegen, nicht verzichten zu wollen, weil es Entbehrung und beängstigendes Defizit bedeutet, auch bei Gefahr, dann überfordernde Ansprüche zu stellen.

Nach Lüscher (1971) vollende sich in Schwarz die konzentrische Richtung der dunklen Farben bis zum endgültigen Schlusspunkt. Schwarz sei die absolute Grenze, an der Leben aufhört. Darum drücke Schwarz die Idee des Nichts aus. Schwarz sei die Verneinung gegenüber der Bejahung, die in Weiß als absoluter Freiheit, ihre höchste Steigerung erreiche.

Schwarz als Farbe des Todes wird den Unterwelts- und Todesgöttern und -göttinnen zugeschrieben. Schwarz ist in Ägypten vor allem Anubis, der schakalköpfige Wächter am Tor der Gräber und Seth, der Wüstengott. Schwarz ist auch, neben Türkis, eine der häufigsten Farben des Skarabäus, des Widergeburtssymbols. Schwarz sind die griechischen Unterweltsgötter: Charon, der Fährmann in die Unterwelt, Hades, der die Unterwelt verkörpert, Pluto mit Cerberus und Hekate, die Greisengöttin, die die herbstlich-winterliche Rückkehr der Natur in den Schoß der Erde darstellt, und doch eine Wiedergebärende im Frühling ist. Denn Schwarz ist als „Farbe" des dunklen Mutterleibes auch die der schwarzen, besonders fruchtbaren Erde, die Farbe von Fruchtbarkeits- und Muttergöttinnen. Die Schwarze Isis wird mit der Fruchtbarkeit des Nilschlammes verbunden, aber auch mit Nacht und Tod. Von der Bedeutsamkeit der schwarzen Muttergottheiten und ihrer Kulte lebt die viel spätere Verehrung der „Schwarzen Madonnen". So tritt zur Verehrung der „Himmelskönigin" in ihrem blauen Schutzmantel die überlieferte der „Schwarzen Erdmutter".

Die Muttergöttinnen Kali und Durga treten in ihrem Todesaspekt in Schwarz auf. Mahakala, der „Große Schwarze" ist die buddhistische Form des Shiva, Schützer der Mongolei. Der neunköpfige Yamantaka, „Feind des Todes", der Schutzgott der Tibeter, wird vielfach schwarz dargestellt.

Schwarz ist zugleich eine Farbe des Eros. „Schwarz wie Ebenholz" ist eines der Attribute Schneewittchens. „Ich bin schwarz, aber gar lieblich, ihr Töchter Jerusalems, " singt die Liebende im Hohen Lied (Hohes Lied 1, 5), und sie preist ihren Freund: „Seine Locken sind kraus, schwarz wie ein Rabe."

In Griechenland gilt Schwarz als Farbe der Zeit, des Chronos: Was überaltert, wird schwarz. Zugleich ist es die Farbe des Saturn, eng mit Zeit und Schicksal verbunden. Außerdem ist dem Schwarzen die Zahl Acht zugeordnet, die die Erneuerung eines Zeitzyklus bedeutet, nachdem die Sieben den alten abgeschlossen hat.

Unheil bedeutet die Sonnenfinsternis im Islam und Buddhismus, wie in indianischen Religionen, - in denen auch die abendliche Dämmerung als Tod des Gestirns im Maul eines Jaguars, des Todesgottes erfahren wird, weil als schwarze Sonne das Lebensprinzip von einem Monstrum verschlungen gilt. In China sah man in der Sonnenfinsternis die Störung der makrokosmischen Ordnung, die auf einer Störung der mikrokosmischen, durch den Herrscher verursacht, beruht. Erscheint die Sonne wieder, so erwartet man einen neuen Zyklus. Die schwarze Sonne ist also eng mit der Symbolik der Zeit verbunden, die auch sonst im Archetyp des Schwarz erscheint. Als Farbe des Bösen gilt Schwarz im christlichen Mittelalter: Hier wird der Teufel als der Schwarze bezeichnet. Unglaube und Sünde werden mit Schwarz in Verbindung gebracht. Im Märchen verkörpern die schwarzen Figuren das, was verwunschen ist und erlöst werden muss. Sie sind unter einen Bann, eine Verdrängung geraten, aus denen sie befreit werden sollen, um ihre wertvollen Kräfte wieder freizusetzen.

In unserer Zeit scheint der Archetyp des Schwarz konstelliert in einem Hang zum Geheimnisvollen, des Hintergründigen in der Welt und der Seele. Keines Beweises bedarf der zerstörerische Zug des Sadismus und der Folter, die im Zeichen des Schwarz, wie zum Beispiel den schwarzen Uniformen der SS geschah. Eine politische Protestaktion, die in Terror umschlug, nannte sich „Schwarzer September". Auch der Sadismus innerhalb der Erotik bedient sich schwarzer Kleidung.

Schwarz ist aber auch die Farbe dunkler Geheimnisse: Man muss nicht nur an schwarze Magie denken, auch die Geheimnisse des Kosmos, seine Tiefen und Fernen, sowie die Geheimnisse der Seele erscheinen symbolisch in Schwarz.

Die moderne Tiefenpsychologie hat das „Verdrängte" (Sigmund Freud) oder den „Schatten" (C. G. Jung) als Bestandteil jeder Psyche neu entdeckt: In den Träumen erscheint es häufig symbolisiert in schwarzen Gestalten, Tieren oder Gegenständen, wie auch in den spontanen Malereien aus dem Unbewussten. Luthers Lehre vom deus absconditus, dem verborgenen Gott und einer Dunkelseite darin, ist entsprechend der tiefenpsychologisch-anthropologischen Einsicht, dass keine menschliche Psyche ohne das Phänomen des Schattens gedacht werden kann, erneut zum Thema der Theologie geworden. Auch ist es kein Zufall, dass die weiblichen Repräsentanzen im Gottesbild zum Beispiel als „Schwarze Frauen" in die Märchen ein- und abgewandert sind und von der Volksfrömmigkeit in den Schwarzen Madonnen gesucht und gefunden werden.

Wie schon der Prophet Jesaja von „Denen, die in Finsternis und Schatten des Todes sitzen", spricht, zeigt sich in der „Schwarzen Theologie", die von der Unterdrückung der Schwarzen in den USA ausgeht, eine neue Entwicklung, die von der Befreiung der Armen, den „Schwarzen", durch Gott spricht. Eine weitere Bewegung, die zur Archetypik des Schwarz in Beziehung steht, ist die neue Auseinandersetzung mit Sterben, Tod und Trauer.

Literatur: Standard

Autor: Riedel, Ingrid