Scham

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Keyword: Scham

Links: Angst, Emotion, Schuld

Definition: Das Schamgefühl (mhd. scham (e), scheme, ahd. scama, urspr. = Beschämung, Schande) ist eine bisweilen sehr tiefgehende und quälende Emotion, die durch durch das Bewusstsein entsteht, insbesondere in moralischer, aber auch in leistungsmäßiger Hinsicht in den Augen der anderen Menschen versagt zu haben, sich eine Blöße gegeben zu haben, "sein Gesicht verloren zu haben.

Information: Dem Schamgefühl kommt im menschlichen Dasein eine äußerst wichtige Bedeutung zu, denn selbst die rudimentärste Form menschlicher Zivilisation ist ohne Scham und ihre entsprechenden Hemmschwellen schlechthin undenkbar. Die Scham kann als "Hüterin der menschlichen Würde“ bezeichnet werden. Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Verbundenheit zu anderen Menschen ist existenziell so fundamental, dass die Erfahrung, in den Augen anderer Menschen als verachtenswert zu erscheinen, nicht erwünscht oder nicht wertgeschätzt zu sein, gedemütigt und ausgestoßen zu werden, zu unseren schlimmsten Befürchtungen und tiefsten Ängsten zählt. Reale oder nur auch in der Fantasie vorweg genommene Beschämung hat heftige unangenehme psychische (quälend, "vor Scham im Boden versinken") wie körperliche Angst-Reaktionen zur Folge (Herzklopfen, Erröten, Schweißausbruch, Lähmung). Auch heute noch ist der Bereich der Sexualität bei vielen Menschen mit Scham verbunden (Aussehen, Fantasien, Bedürfnisse, Potenz).

Interpretation: Der für unseren Kulturkreis wichtigste Mythus, welcher – zusammen mit dem Schuldgefühl – die Scham zum Thema hat, ist die biblische Paradiesesgeschichte (Genesis: 1. Mose 1-3). Entsprechend dieser Erzählung erwacht die Scham als Folge des verbotenen Genusses der Frucht vom Baum der Erkenntnis. Bevor dieses Gebot übertreten wurde, hieß es vom Menschen und seinem Weib: „Sie waren beide nackt und schämten sich nicht“. Nach dem Genuss vom Baume der Erkenntnis gingen beiden die Augen auf, „und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren; und sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze“ 1. Mose 3. 7).

Seither ist das Feigenblatt zum Symbol geworden. Es gilt als Bild, welches Beschämendes verhüllt, Blößen verdeckt, die „nackte“ Wahrheit (körperlicher oder seelischer Natur) verkleidet. Interessant ist, dass in der Bibel nicht nur von dem einen Feigenblatt gesprochen wird, sondern es heisst: „Sie hefteten sich Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze“. Das Schamgefühl motivierte sie, durch eine Erfindung der beschämenden Blösse Abhilfe zu schaffen. Sie blieben also nicht hilflos ihrer Scham ausgeliefert, versuchten, sie zu bewältigen und entdeckten dabei die spezifisch menschliche Fähigkeit, das Naturgegebene in erfinderischer Weise zu verändern. Scham kann deshalb auch als Motor unserer Zivilisationsentwicklung angesehen werden.

Die Frage stellt sich, ob es nicht nahe liegt, diesen Lendenschurz aus Feigenblättern als Urmuster von dem anzusehen, was Jung „Persona" genannt hat. (Jung, 1920 / 71, § 880). Körperverhüllungen und Kleider werden, wenn sie in Träumen auftreten, meist als Symbole der jeweiligen „Persona-Haltung“ des Träumers aufgefasst. Könnte man die Jungsche Vorstellung der „Persona“, die eigentlich als „Maske“ übersetzt werden muss, nicht geradezu auch als Feigenblatt symbolisieren, das unsere „nackte Wahrheit“, unsere private Intimität verdecken soll – sowohl im körperlichem als besonders auch im seelischen Bereich? Sie steht deshalb in engster Beziehung zum Phänomen der Scham, deren kollektive Funktion weitgehend darin besteht, uns vor „peinlichem“ Exponiertsein zu schützen. Wenn man unfeiwillig die „Maske fallen lässt“ (z. B. im Liebes-, Alkohol- oder Wutrausch) so folgen meist Schamreaktionen auf dem Fuß. Man befürchtet, „sein Gesicht“ verloren zu haben.

Literatur: Standard

Autor: Jacoby, Mario