Amerika
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Definition: Amerika ist der Name des aus den Erdteilen Nord- und Südamerika bestehenden Doppelkontinents, steht aber im Sprachgebrauch häufig für die USA (Vereinigte Staaten von Amerika). Amerika wird häufig als die Neue Welt der Alten Welt gegenübergestellt.
Information: Seit der Entdeckung durch Kolumbus gilt Amerika als Neue Welt, als Land der Freiheit (Freiheitsstatue) und der unbegrenzten Möglichkeiten. Puritanische Verwurzelung im Alltag, in der Arbeit, im Erfolg, im Diesseits sowie das "Streben nach Glück" ermöglichte die rasch anwachsende wirtschaftliche Leistung und den Kapitalismus, die Besiedlung des Westens und das Ideal des "Selfmademan". Als Eroberer, Ausbeuter und Zerstörer kamen die Spanier und Portugiesen nach Südamerika. Als Pilger zogen die ersten europäischen Auswanderer nach Nordamerika in ein neues gelobtes Land ("godsownland"), um dort ein gottgefälliges Leben zu führen. Ausgeschlossen aus der Gemeinschaft waren die Ureinwohner.
Die sog. präkolumbianische Zeit und die Zerstörung der präkolumbianischen Kulturen auf dem gesamten Kontinent spielt im Bewusstsein über Amerika kaum eine Rolle. Amerika gilt häufig als geschichts-, traditions-, kulturlos, es ist ein Einwandererland und oft "Schmelztiegel der Nationen" genannt. Viele asiatische, afrikanische und europäische Familien haben Verwandte in Amerika, die mit einer der zahlreichen Einwanderungswellen im 19. und 20. Jahrhundert nach Amerika kamen. Jeder Einwanderer kann, so der Mythos, auf seine eigene Art und Tradition leben (Chinatowns), sich von unliebsamen Einengungen der alten Heimat befreien und eine neue Identität finden. Während des 2. Weltkriegs war Amerika Zuflucht für vom Nationalsozialismus Verfolgte, insbesondere jüdische Einwanderer kamen damals und viele Kulturschaffende, die vor der Gleichschaltung in Deutschland flohen. Nach dem 2. Weltkrieg flüchteten viele ehemalige "Nazigrößen" aus Deutschland nach Südamerika.
Aus der Fantasie der ersten Einwanderer, man habe es in der Hand, die Welt neu zu beginnen, wird in den USA "eine neue Nation geboren". Sie gründet zum einen bis heute tief in patriarchal-religiösen Werten, zum anderen auf der mehr als 200 Jahre alten Verfassung der USA mit ihrer aufklärerisch-naturrechtlichen Betonung der Freiheit des Einzelnen und des Strebens nach Glück. Die Verwurzelung im Religiösen wie die Vielzahl gleichberechtigter Religionsgemeinschaften – das besondere der amerikanischen Religiosität – trägt bis heute dazu bei, die individuelle Freiheit zu schützen und zugleich den durch kontinuierliche Einwanderung und Liberalismus entstehenden Pluralismus zu mildern.
Interpretation: Der Mythos "Amerika" - er bezieht sich auf den nordamerikanischen Lebensstil - ist auch heute lebendig und fasziniert die Menschen, obgleich er voller Widersprüche ist: Freiheit, Pioniergeist, Abenteuerlust, grenzenloser Fortschritt, Glaube an die Technik und das Machbare, an den liberalen, staatlich nicht geregelten Kapitalismus, "der amerikanische Traum", "vom Tellerwäscher zum Millionär", Recht auf Waffenbesitz, Sklaverei, Rassismus, bittere Armut und Gewalt in den Ghettos, Glanz und Schein der Reichen.
Der zur Redensart gewordene Begriff vom "Onkel aus Amerika", der dort sein Glück gemacht hat und nun die in Europa zurückgebliebene Familie aus dem Elend führt, ist ein Wunschbild in vielen europäischen Familien nach dem 1. und nach dem 2. Weltkrieg. Bücher und Filme greifen das Motiv auf. Neben dem aus der Not rettenden Verwandten aus Amerika gibt es allerdings auch andere Facetten: F. Dürrenmatt beschreibt in "Besuch der alten Dame" eine "reiche Tante aus Amerika", die allerdings zurück kommt, um Rache zu nehmen an ihrer Herkunftsstadt für dort erlittenes Unrecht und Vertreibung. In F. Kafkas Roman "Amerika", der gemeinsam mit "Der Prozess" und "Das Schloss" als Triologie gesehen werden kann, wird das Schicksal eines Auswanderers dargestellt, der ein ums andere Mal an der Integration in seine neue Heimat scheitert. Der Roman stellt eine frühe Kritik an der Verherrlichung des Auswanderers und des "american way of life" dar.
Nach dem 2. Weltkrieg gefeierter Befreier, gerät Amerika später zunehmend in Kritik, wird als "Weltpolizist", rassistische, erzkonservative, imperialistische und kapitalistische Groß- bzw. Supermacht massiv angegriffen und bekämpft. Der erobernde, nehmende, kämpferische Aspekt, den die Eroberer Amerikas aus Europa nach Amerika mitbrachten, und der Amerika als Weltmacht heute vorgeworfen wird, kann psychisch verstanden werden als Ausdruck des auf das Diesseits, die Kontrolle, die Rationalität bezogenen Ichs, das Erich Neumann (Neumann, 1949) auch das patriarchale Ich nennt. Aus der Perspektive dieses Ichs wird die Verbindung zur Erde und zum Ursprünglichen gemieden, sie wird abgewertet, ja getötet. Das so sich bildende Ich kann sich aktiv und heldenhaft im patriarchal-männlichen Raum der Gerechtigkeit, der Vernunft, des Kampfes für das Gute, den Fortschritt etc. bewegen. Es ist heroisch-schöpferisch, muss aber den archaisch-erdhaften und mutterbezogenen Bereich meiden und bleibt in gewisser Weise der Oberfläche verhaftet, vermeidet Auseinandersetzung mit den eigenen Wurzeln und mit dem eigenen Schatten.
Die Filmindustrie Hollywoods trägt amerikanische Lebensform und Klischees seit Jahrzehnten in die ganze Welt, prägt das Bild der Welt von Amerika und prägt zugleich die Kulturen der Welt nachhaltig. Kaugummi, Cola und Fastfood, Westernhelden, Cowboys, Indianer, Sheriffs, Easyrider, Action- und Sciencefictionhelden sind zu Vorbildern und Symbolgestalten geworden. Mit jeweils ganz spezifischen Facetten drücken sie etwas von dem aus, was Amerika in der Psyche verkörpern kann.
Tauchen Städte wie Chicago, Los Angeles, New Orleans, San Francisco, Orte wie der Grand Canyon, Woodstock oder die Wallstreet, Bilder von Highways in weiten Landschaften als symbolische Bilder in Fantasien und Träumen auf, kann die Beschäftigung mit den jeweils spezifischen Orten unterschiedlichste Bedürfnisse, Verdrängtes, positive und negative Schattenanteile des Träumenden oder Fantasierenden ins Bewusstsein heben. Mit Kanada etwa verbinden die meisten Menschen unberührte Natur, Ruhe, Einsamkeit und Freiheit. Auch die unterschiedlichen Länder und Orte Mittel- und Südamerikas lösen jeweils spezifische Assoziationen und Amplifikationen aus, führen in spezifische Komplexe und archetypische Erlebensweisen des Einzelnen.
Literatur: Standard
Autor: Müller, Anette