Alphabet

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Keyword: Alphabet

Links: Alpha und Omega, Buchstabe

Definition: Die beiden ersten Buchstaben des griechischen Alphabets, alpha und beta, sind Namensgeber für die in fester Reihenfolge geordnete Gesamtheit der Zeichen von Buchstabenschriften, im Deutschen auch ABC genannt.

Information: Das erste bekannte Alphabet geht auf das semitisch sprechende, kulturintegrativ wirkende Handelsvolk der Phönizier im 2. Jh. vor Christus zurück. Wie die meisten prägenden kulturell-geistigen Leistungen stammt es aus dem Mittelmeerraum und der Antike, der Wiege der abendländischen Kultur. Die Entwicklung des Alphabets ist ein Prozess der Auseinander- und Zusammensetzung, der rationalen und abstrahierenden Analyse, Zerlegung und Zergliederung und der geheimnisvollen und kreativen Synthese, der Zusammenführung der in Sprache erfahrbaren Welt.

Interpretation: Das Alphabet ist wie die Zahlenreihe und unterschiedliche Zahlensysteme eine ordnende, strukturierende geistig-kulturelle Errungenschaft. Die zwingende Kraft und innere Logik und Konsequenz dieser Struktur ist volkstümlich ausgedrückt im Sprichwort "Wer A sagt, muss auch B sagen". Etwas von A bis Z zu wissen, gelesen zu haben etc. ist eine umgangssprachliche Wendung für "alles ohne Ausnahme" oder "von Anfang bis Ende"; so kann etwas auch von A bis Z erfunden oder erlogen sein. Das Alpha und Omega, erster und letzter Buchstabe des griechischen Alphabets, hat hohe symbolische Kraft. Das alphabetische Einordnen ist ein so basales Ordnungsschema, im Lexikon, im Archiv, im Aktenordner, im Internet, in der Schulklasse und in Behörden und Verwaltung, dass es auch psychisches Erleben mitgestalten kann: Wessen Name mit A beginnt, der ist derjenige, der als Erster in einer sozialen Gruppe an die Reihe kommt, also neu und unerfahren etwas tut oder mit der vollen Aufmerksamkeit aller, mit dem Reiz des Anfangs, vielleicht mit dem Bonus des Anfängers. Durch diese Strukturierung über den Anfangsbuchstaben oder die Initialen kann also soziale, emotionale, narzisstische Erfahrung mitgeprägt werden.

Die verschiedenen Alphabete der heiligen Sprachen (Sanskrit, Altägyptisch und Althebräisch) zeigen die verschiedenen Sichtweisen der Welt bildhaft und klingend. Hier nehmen symbolische Betrachtungsweisen auf das Alphabet und die einzelnen Buchstaben ihren Anfang. Die Kabbala sieht im Alphabet, mit dessen wenigen Zeichen alles mit Namen und ins Sein gerufen werden kann, die Ur-Kräfte gespiegelt, die Welt und Universum bzw. den Kosmos erzeugen. Deshalb liegt im jüdischen Verständnis die eigentliche göttliche Macht und Weisheit im Wort.

Das Alphabet – wie das kleine Einmaleins – vorwärts und rückwärts zu können, ist vermutlich aufgrund pythagoräischer Mystik, die in der Zahlen- und in der Buchstabenreihe kosmische Ordnung und Struktur sah, in den Schulen des Altertums Bildungsziel gewesen. Bis heute ist das Erlernen des Alphabet vordringliche Aufgabe des ABC-Schützens (der Ausdruck geht auf lat. tiro, d. h. Neuling zurück). Vermutlich geht die Suppennudel in Buchstabenform auf die antike Tradition zurück, sich mit Alphabet-Kuchen das Alphabet einzuverleiben.

Die zentrale Bedeutung der Kenntnis des Alphabets und der damit zusammenhängenden Möglichkeiten und Kulturtechniken spiegelt sich im Begriff des Analphabeten, d. h. eines Menschen, der einfache Texte nicht lesen und verfassen kann. Die Unesco hat sich nach dem 2. Weltkrieg die Alphabetisierung der Weltbevölkerung zur zentralen Aufgabe gemacht. Manchmal wird der Begriff Analphabet umgangssprachlich auch benutzt, um auszudrücken, dass jemand in einem grundlegenden Lebensbereich wenig Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelt hat. Das ABC einer Sache, die man erwerben muss, ist das basale Wissen, mit dem das bewusste Lernen beginnt.

Aufgrund seiner hohen Abstraktion kann das Alphabet für Geheimsprachen und Codes verwendet werden. In esoterischen, magischen und mystischen Traditionen spielen Geheimzeichen wie z. B. die Runen eine wichtige Rolle. Eine 19-jährige Adoleszente, die sich selbst verletzte, ihre Heimat in der Punker-Gothic-Szene sah, das Gymnasium abgebrochen hatte, sich mit Alkohol berauschte, erlebte ihre Träume als beängstigend und chaotisch. Die Buchstaben des Alphabet wurden in ihren Träumen durcheinander gewirbelt, in einen Abfluss gesogen, stürzten über den Rand der Welt. Traumbilder und Einfälle dazu führten zur dadaistischen Lyrik und konkreten Poesie.

Nach der Katastrophe der Weltkriege lösten die Lyriker hier die bisherige allgemein akzeptierten Bedeutungen der Wörter in ihre Buchstaben auf und versuchten, individuellen und subjektiven Sinn und Worte unter Rückgriff auf basale Kräfte und Strukturen neu zu schaffen. "Alphabet von hinten" nennt K. Schwitters eines seiner Gedichte. Besser als durch Verbalisieren konnte die Jugendliche durch das Gestalten und die Beschäftigung mit dadaistischen Texten und mit M. Endes surrealistisch-fantastischem Buch "Die unendliche Geschichte" wahrnehmen, dass sie neuen Sinn und Halt für sich und in sich schaffen musste, dass sie das Alphabet wieder in Ordnung bringen und zu sinnvollen eigenen Worten zusammenzusetzen hatte. Die Gefahr ihrer durch Borderline-Struktur und Alkoholkonsum stattfindenden Ich-Auflösung und Strukturlosigkeit erfasste sie aufgrund der Lektüre eines Auszugs aus M. Endes Roman "Die Unendliche Geschichte", dem Beliebigkeitsspiel. Dabei versuchen Menschen vergeblich, mit Buchstabenwürfeln, auf denen alle 26 Buchstaben des Alphabets enthalten sind, sinnvolle Geschichten zu entwickeln.

Literatur: Standard

Autor: Müller, Anette