Kreis

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Keyword: Kreis

Links: Uroboros, Schlange, Kugel

Definition: Gleichmäßig runde, in sich geschlossene Linie, deren Punkte alle den gleichen Abstand vom Mittelpunkt haben.

Information: Sowohl der Kreis als auch seine dreidimensionale Gestalt, die Kugel, kommen vielfach in organischen Gestaltungen der Natur vor: bei zahlreichen Pflanzen im Blütenstand und als Fruchtboden wie Sonnenblumen, in Früchten wie Beeren, Äpfel und Orangen; Quallen und Seeigel haben Kugelform, Iris und Pupille der meisten Tieraugen und die des Menschen sind rund wie der menschliche Kopf, die Brust mit ihrem Hof und der Bauch, vor allem der schwangere Mutterleib. Rund werden Kiesel, vom Wasserstrudel geschliffen. Rund erscheint der volle Mond und der leuchtende Ball der Sonne. Rund ist die Erde, wie die anderen Planeten von ständiger Rotation gestaltet. Arme und Beine des Menschen ruhen in Kugelgelenken, er kann sie drehen und schwingen. Sich um sich selbst drehend, schaut der Mensch die Rundung des Horizontes, den Erdkreis, aufschauend die Wölbung des Weltraums: so findet er sich inmitten eines größeren Ganzen.

Interpretation: Der Kreis gilt als der ausgedehnte Punkt, als Symbol des in sich Gleichen, des Vollkommenen: alle Punkte der Peripherie sind vom Zentrum gleich weit entfernt. Das gilt auch von seiner dreidimensionalen Gestalt, der Kugel, gleichsam als dem Ur-Ei: alle weiteren geometrischen und stereometrischen Körper lassen sich aus ihr bilden oder von ihr umschließen. Im übertragenen Sinn stellen beide das "runde Ganze", Vollständigkeit dar und können so Symbole des größeren Selbst, welches das Ich des Menschen umfängt, mehr noch, zum Gottessymbol werden. In einem alten theologischen Satz heißt es: "Gott ist eine Kugel, deren Zentrum überall, deren Peripherie nirgends ist. Der Kreis gehört zu den ältesten Meditationsbildern, den Mandalas, er bildet ein Zentrum, das zu betrachten, den Betrachtenden zentriert.

Die Kreisgestalt ist unter den regelmäßigen Figuren von einzigartiger Ganzheit und Geschlossenheit, das Runde schlechthin. Als ein Zeichen für Unendlichkeit gilt der Kreis, weil er aus einer unendlichen Linie gebildet ist; in der Symbolgeschichte "Uroboros" genannt, dargestellt durch die Gestalt einer Schlange, die sich in den Schwanz beißt. Das Symbol dieses Schlangenringes kann auch die Ungeschiedenheit des Bewusstseins vom Unbewussten bedeuten, das Beharren in einer Ursymbiose (Erich Neumann). Insofern der Kreis auch den Mutterarchetyp symbolisiert bietet sich ein Bezug auf den depressiv strukturierten Menschen an, als im Bann des Kreises eingeschlossen. Letztlich steht der Kreis in seiner gesamten Fläche immer für Vollständigkeit, der Ganzheit des Bewusstseins.

Der Kreis umgrenzt einen Ort, in den Steinkreisen der Megalith-Zeit einen heiligen Ort. Der Kreis bildet ein Innen: Binsenhütten afrikanischer Stämme, die Iglus der Inuit werden über einem Kreis errichtet. Rundhäuser gelten als die ältesten Wohnstätten der Menschen, sie entstehen aus dem Nomadenzelt im Steinring, - noch heute leben Mongolen in Jurten, - oder, seit dem Neolithikum, als steinerne Krag-Kuppeln in Bienenkorbform über dem Kreis um das Herdfeuer. In den Grabbauten des mykenischen Herrschaftsbereichs, der profanen Nutzung entzogen, gewährt die tradierte Form der Rundhäuser die Totenruhe. Im Sakralraum des Pantheon in Rom erfährt diese Bauform ihre Vollendung: mit den identischen Maßen der Radien von Grundriss und Halbkugel der Kuppel ist dem Raum eine Kugel eingeschrieben, Symbol des Kosmos.

Ursprünglich erfährt der Mensch die Gestalt des Runden in der Gebärde des Umarmens. Bergen, schützen, in sich bewahren gehören zum Symbolkreis des Runden, der Kugel. Im weitesten Sinne symbolisiert es damit das Weibliche, die Mutter. Tempel der "Großen Mutter", heute noch auf Malta und Gozo zu finden, sind wie Zellverbände gestaltet. Die Symbolik des Kreises wird oft im Gegensatz zu der des Quadrates gesehen, das als Symbol des Irdischen, der Materie in seiner Beschränkung gilt, dagegen der Kreis als Symbol des Himmels, des Kosmischen in seiner Entgrenzung. Beides verbinden die Bauten der orthodoxen Kirchen indem sie den Würfel des Raumes mit einer Kuppel überwölben. In den illusionistischen Freskenmalereien oder real in einer Laterne vieler Kuppeln barocker Kirchen scheint der irdische Raum dem Himmel geöffnet zu sein. In der Kabbala, einem Zweig der jüdischen Mystik bezeichnet ein in ein Quadrat eingeschriebener Kreis den in der Materie verborgenen göttlichen Funken.

Als Sonnenrad, dem Radkreuz, ist der Kreis Symbol der Zeit, der zyklischen Bewegung der Erde. Schon von den Babyloniern zur Zeiteinteilung in 360 Grade eingeteilt, wird der Kreis für den Menschen zur Projektionsfolie, auf der er die Zeit abbildet – noch heute auf dem Zifferblatt der Uhr. Als Zeitsymbol bedeutet er das Ausschreiten der Lebensphasen bis sich "die Kreise schließen", impliziert eine Weltsicht, nach der der Mensch zu seinem Ursprung zurückkehrt. Das Bild des Glücksrades, auf das der Mensch im Leben geflochten ist, zeigt den Zyklus der Hoch-Zeiten im Wechsel mit denen des Tiefganges.

Der Kreis bildet ein Innen, umgrenzt, integriert, bestimmt das Zugehörige. Er grenzt, schließt auch aus, bestimmt das nicht zu integrierende, das nicht zugehörige. In seiner konzentrierten Form eignet sich der Kreis auch, die Verdichtung von Energie darzustellen. Uralt ist die Vorstellung vom Kreis als einem Bannkreis, der als wirksamer Schutz gegen Dämonen gilt. In manchen Formen ist er mit Hexagramm und Kreuz kombiniert. In diesem Zusammenhang steht die schützende Wirkung, die rundem Schmuck, einem Gürtel, einem Reifen, dem Ring und runden Amuletten zugeschrieben wird. In profanierter Form, doch als bannender Kreis, erscheint der Ring heute auf Verkehrszeichen, die je nachdem Durchfahrt, Halt oder Geschwindigkeitsbegrenzungen anzeigen. Der Ring hat besondere Bedeutung als Beziehungssymbol. Die Tafelrunde des Königs Artus verband einen Kreis von Menschen in ihrer Suche nach einem höchsten Wert. Die Gestalt des Ringes ohne Anfang und Ende machten ihn geeignet, das ewig Währende von Bünden und Beziehungen auszudrücken, das mit der Verleihung des Ringes besiegelt wurde. Der Ring soll das frühere Binden mit einem Faden abgelöst haben. Mit einem Siegelring wurde in ältesten Zeiten der Besitz gestempelt. Es macht nachdenklich, dass in diesem Zusammenhang der Ehering aufkam. Er enthält das Versprechen einer unverbrüchlichen Bindung und zugleich einen Abwehrzauber gegen Einbrüche von außen. Als ein Zeichen, in Freiheit einem größeren Ganzen anzugehören, trug der freie Bürger Roms einen Ring. Auch Mitglieder von Orden, sowie Fürsten, Bischöfe und Päpste tragen Ringe. Zu den ältesten Grabbeigaben gehören Amulette in Ringform, Kräfte bindend und den Bezug zur Unendlichkeit, zum Numinosen herstellend. Ring oder Kreis eines Heiligenscheins ist dagegen Symbol für die Beziehung zur Transzendenz.

Konzentrische Kreise veranschaulichen die Bewegung der Sterne, Hierarchien geistiger Mächte, im christlichen Bereich die geistliche Entwicklung des Menschen bei Teresa von Avila, verschiedene Stufen der Schöpfung in den Visionen der Hildegard von Bingen oder in der Apokalypse des Beatus. Drei ineinander geflochtene Kreise symbolisieren die Dreieinigkeit. Entsprechend dem Makrokosmos lässt sich auch der Leib-seelische Organismus des Menschen als ein Mikrokosmos aus konzentrischen Kreisen darstellen.

Zur Symbolik von Kreis und im Besonderen der Kugel gehört der Ball, der von Anfang an mit der Sonne zusammengebracht wurde. In alten kultischen Spielen, im Ballspiel der Mexikaner und noch im Osterballspiel des Klerus von Auxerre, ist er Sonnensymbol: im Ballspiel wird das Wiederaufsteigen der Sonne nach der winterlichen Schwächung rituell mitvollzogen und mitbewirkt. Die Spielkugel ist immer Symbol für das "runde Ganze", das "mobile Selbst " (Mario Jacobi), der eigenen Person, das sie in den Grimmschen Märchen vom Froschkönig und dem Eisenhans darstellt. Auch die rollende Kugel im Roulette hat für manche Spielernaturen schicksalhafte Bedeutung.

Literatur: Standard

Autor: Riedel, Ingrid