Knie
Keyword: Knie
Definition: Das Knie (ahd kneo; idg. Grundwort: genu- (=Knie), worauf wahrscheinlich die idg. Wurzel gen (u) = gebären, erzeugen; erkennen, kennen (abgeleitet: Kind) zurückgeht) ist der vordere Teil des Kniegelenks mit der Kniescheibe.
Information: In früher Zeit war es üblich, in kniender Haltung zu gebären; der Vater erkannte das Neugeborene dadurch als sein Kind an, indem er es auf seine Knie setzte, (vgl.:hethit.: genu, ganu =Knie, Geschlechtsteil, Geschlecht). Gelenk, das Ober- und Unterschenkel miteinander verbindet und wesentlich zur Fortbewegung mit beiträgt, z. B. beim Gehen, Springen, Hüpfen usw.) das Gewicht von Oberschenkeln, Rumpf, Armen und Kopf auffängt durch Beugung und diese durch Streckung wieder nach vorne -aufwärts schiebt. Es hat also einerseits die Funktion des Stoßdämpfers (Schonung der Fußgelenke und Füße), andererseits des Impulsgebers für die Vorwärtsbewegung (progressiver Aspekt).
Interpretation: Daher ist der Grad der Flexibilität des Knies Indiz dafür, wie die Person mit den Belastungen des Lebens umgeht: dynamisch; starr oder schlaff. Wenn die Last unerträglich wird, knicken die Knie ein - der Mensch wird (vom Schicksal; einer Übermacht) "auf die Knie gezwungen" oder fällt vollständig. Andererseits zeigt sich in bioenergetischer Körperarbeit, dass Personen mit Fallangst die Knie durchdrücken und verkrampfen, wodurch die Knie ihre Funktion eines „Stoßdämpfers" nicht mehr erfüllen können, sodass andere Körperregionen überlastet werden (v. a. untere Wirbelsäulenregion) und Schaden nehmen - der betreffende Mensch fürchtet sich vor Flexibilität, weil sie eine gewisse Fähigkeit zum Nachgeben einschließt: er ist starr, stur. Starre (durchgedrückte) Knie, vermitteln nur die Illusion von Sicherheit. Eine flexible Haltung der Knie ("bioenergetische Grundhaltung") ermöglicht hingegen ein ungestörtes Fließen der psycho-physischen Energie, einen tiefen, ruhigen Atem, ein Geerdet-Sein und Bewusstheit des eigenen Standes. Geschlechtsspezifische Unterschiede der Kniehaltung - zumindest in den abendländischen Gesellschaften - gibt es vor allem im Sitzen: Frauen halten ihre Knie eng beisammen, Männer sitzen eher mit (unterschiedlich weit) gespreizten Knien. Außerdem haben/hatten Mädchen bei der Begrüßung einen 'Knicks' zu machen (als Entsprechung zum 'Diener' des Jungen). Das Knie ist in bemerkenswerter Weise ein 'Beziehungsorgan': es spiegelt die Beziehung der Person zum Archetypus der Erde (Fallangst; Erden), zu den Belastungen und Herausforderungen des eigenen Lebens, sowie zu seinen Mitmenschen innerhalb einer akzeptierten oder erwarteten hierarchischen Struktur ('Hofknicks'), wie auch zu Gott: "0 beugt wie die Hirten andächtig die Knie!"
In der christlichen Liturgie ist das Knien zu bestimmten Zeiten und Gelegenheiten vorgeschrieben; häufig wird die Haltung beim Beten (Anbetung) eingenommen.
Allerdings ersetzt die katholische Kirche derzeit das Knien im Gottesdienst durch Stehen oder Sitzen, da die Beziehung des Menschen zu Gott nicht die eines Unterworfenen sei. Beachtung verdient außerdem, dass sich im 'Beziehungsorgan' Knie eine besondere Polarität manifestiert: je nachdem, ob das Knien als freiwillig oder von außen aufgezwungen erlebt wird, nimmt es für den Knienden eine unterschiedliche Bedeutung an: entweder setzt er sich in Relation zu etwas Höherem und hat daran teil - oder eine fremde Macht wirft ihn auf die Knie und verweist ihn auf seine Kleinheit/Nichtigkeit. Das Knie ist der einzige Körperteil, von welchem unmittelbar und ohne Präfix ein (intransitives) Verb abgeleitet wird, das eine vollständige Körperhaltung sowie die mit ihr verbundene Stimmung des Knieenden beschreibt. Auch dies verdeutlicht den starken emotionalen Bezug des Kniens.
Das Knie selbst symbolisiert generative Kraft, Lebenskraft, Stärke, auch Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, Dynamik. Die Haltung des Kniens dagegen: Demut, Ehrerbietung gegenüber einem Höheren, Unterwerfung, Unterlegenheit und Buße. Knieprobleme symbolisieren: Unbeugsamkeit, Starrheit, Sturheit, falschen Stolz, Unnachgiebigkeit, mangelnde Flexibilität und Angst.
Mythologie: Heinrich der vierte, beendete seinen Bußgang nach Canossa mit einem Kniefall; teilweise wird auch überliefert, er rutschte auf den Knien nach Canossa.
Die im Okt. 2005 rebellierenden jungen Franzosen gaben auf ihren Websites die Losung aus: "Geld ist nichts, Respekt ist alles. Lieber sterben, als auf den Knien leben." (Die Zeit Nr. 46, 10. 11. 05).
Literatur: Standard
Autor: Rafalski, Monika