Acht
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Definition: mhd. aht, ahd. ahto; bezeichneten vermutlich die beiden Viererspitzen (der Hände ohne Daumen); urspr. Zahl eines alten Vierersystems.
Information: Die Acht besitzt die Teiler 1, 2, 4 und 8. Aus arithmetischer Sicht ist sie damit echt teilbar und stellt die vierte gerade natürliche Zahl dar.
Interpretation: Vor- und Frühgeschichte: Vergleichende kulturgeschichtliche Forschungen legen nahe, dass die Acht immer in Kulturen mit vorherrschenden Sonnengottheiten symbolische Bedeutung bekam.
Alter Orient: Im Yi-jing, das auf der bis ins 2. Jahrtausend v. Chr. zurückgehenden taoistischen Überlieferung Chinas fußt, unterscheidet man acht Trigramme, die das Spiel der kosmischen Kräfte aufzeigen sollen. Ferner verehrt man etwa seit dem 11. Jahrhundert n. Chr. im Taoismus und im Volksglauben allgemein eine Gruppe von acht Unsterblichen. - Auch in Buddhismus und Hinduismus spielt die Acht eine wesentliche symbolische Rolle. So kam Siddhartha aus der Sippe Gautama nach siebenjähriger meditativer Zurückgezogenheit im achten Jahr seiner "Hauslosigkeit"; zunächst zu der Erkenntnis des „mittleren Weges“ und dann zur Erleuchtung und begann, als Buddha mit der Predigt von Benares das „Rad der Lehre“ in Bewegung zu setzen. In dieser Predigt verkündete er fünf Einsiedlern die „vier edlen Wahrheiten vom Leiden“. Die vierte davon war der „edle achtfache Weg“, der über die acht Stufen rechte Ansicht, rechtes Entschließen, rechtes Reden, rechtes Handeln, rechtes Leben, rechtes Streben, rechte Achtsamkeit und rechte Sammlung zum Nirvana und damit zur Aufhebung des Leidens führt. Deshalb weisen bildliche Darstellungen des Rades der Lehre immer acht Speichen auf. Und in den auf brahmanischem Gedankengut beruhenden Sutras des Patanjali, die etwa 200 v. Chr. entstanden, wurde der achtgliedrige Pfad des klassischen Yoga erstmals formuliert.
Antike: Da sich die Acht weder als Dreiecks- noch als Viereckszahl figurieren lässt, galt sie im Pythagoreismus wegen ihrer Teilbarkeit durch 2 als weiblich. Zwei arithmetische Besonderheiten machten sie bedeutsam, nämlich dass sich die Viereckszahlen für die Quadrate der ungeraden Zahlen zum einen um Vielfache von 8 unterscheiden (z. B. : 5²-3²= 16 = 2∙8) und zum anderen um 1 vermindert sowie durch 8 geteilt stets in eine Dreieckszahl überführen lassen (z. B.: (7²-1):8 = 48:8 = 6). Ferner ergab sich die Acht durch die Quinte, denn nur zwei gleiche und gleich gespannte schwingende Saiten im Längenverhältnis 12:8 = 3:2 brachten diesen konsonanten Klang hervor. Wegen solcher Eigenschaften wurde sie von den Pythagoreern mit der Freundschaft und der Liebe in Verbindung gebracht. - Im Platonismus bezog man die Acht auf die fünf regelmäßigen oder kosmischen Körper. Denn der Sechsflächner (Hexaeder) hat 8 Ecken und der Achtflächner (Oktaeder) 8 Flächen. Somit ergab sich für die Platoniker ein Verhältnis der Acht zur Sechs, das für sie noch durch die geometrische Tatsache untermauert wurde, dass der Acht- und der Sechsflächner zueinander dual sind. Da man annahm, dass das Element Luft aus winzigen Achtflächnern zusammengesetzt sei, waren die Acht und die Luft aufeinander bezogen. - In der Antike bildete sich für die Acht eine weitere geometrische Darstellung heraus, nämlich das regelmäßige Achteck. Dieses wurde aber oft zum Achtstern (Oktagramm) abgewandelt.
Monotheistische Religionen: Im Alten Testament wurden Beschneidung, Errettung und Reinigung – also wesentliche Geschehnisse im Bund Gottes mit dem erwählten Volk – mit der Acht in Verbindung gebracht und das alphabetische hebräische Ziffernsystem drückte sie durch den achten Buchstaben Chet aus. Mit diesem Zuordnungsprinzip bestimmten rabbinische Gelehrte lange vor der Zeit der Kabbalisten und ihrer Gematria systematisch den Zahlenwert von Worten und brachten dann solche mit gleicher Quersumme inhaltlich in Verbindung. - Da im Neuen Testament die Acht in den acht Seligpreisungen der Bergpredigt und in der Erscheinung des auferstandenen Jesus vor dem ungläubigen Jünger Thomas am achten Tage nach Ostern belegt ist, wurde sie durch die Kirchenväter auf Christus und die Auferstehung bezogen. In dieser Deutung, der sich auch die entsprechenden pythagoreischen und platonischen Vorstellungen einfügten, symbolisierte die Acht das ewige Leben, zu dem die Taufe hinführt und das sich im Jüngsten Gericht verwirklicht. Sie versinnbildlichte damit die ewige Seligkeit in der Unendlichkeit des Kosmos. In diesem Sinne, als Symbol kosmischer Ruhe und Vollendung, ging die Acht vor allem in die Architektur ein. Dort ist sie im achteckigen Grundriss von Baptisterien und Mausoleen, in den acht Wandnischen oder in den acht Stützen der Kuppel eines Zentralbaues sowie in achteckigen Taufsteinen und in achtpassigen Kronleuchtern zu finden. Und in bildlichen Darstellungen gilt das Oktagramm als das Sternzeichen Christi, das z. B. als Weihnachtsstern den Heiligen Drei Königen und in übertragener Bedeutung allen Weisen den Weg anzeigt. Das Oktagramm findet sich auch in den sogenannten Sterngewölben gotischer Kirchen wieder, deren polygonaler 3/8-Chorschluss die symbolischen Bedeutungen der Drei, d. h. Dreifaltigkeit, und der Acht, d. h. Grab = Tod und Auferstehung = Leben, beinhalten könnte. - Im Islam wurde die Acht dem achten arabischen Buchstaben Ha zugeordnet, der Gott als Hak, d. h. als Wahrheit kennzeichnet. Seine mystischen Richtungen praktizieren seit ihrer Entstehung ein von der rabbinischen Zahlenspekulation angeregtes Verfahren, das als Hisab al Dschumal – Errechnen der Summe – bezeichnet wird. Doch nicht nur als Gottesattribut, sondern auch in der Eschatologie und in der Angelologie des Islams tritt die Acht symbolisch in Erscheinung. Denn acht Paradiese existieren, was sich in der Achtteilung von repräsentativen Gartenanlagen früherer Jahrhunderte widerspiegelt, und acht Engel tragen den Thron Allahs.
Hermetische Überlieferung: Aus den häufig angenommenen zwei Elementen Feuer und Wasser („Brautpaar“) zum einen und aus den zwei zugehörigen Prinzipien Schwefel („rote Blume“) und Quecksilber („weiße Blume“) zum anderen ergaben sich spekulativ die acht polaren Qualitäten Sonne und Mond, Männliches und Weibliches, Brennbarkeit und Flüchtigkeit sowie Seele und Geist.
Mathematik, Naturwissenschaften und Technik: Das mathematische Zeichen für das Unendliche ist nicht, wie verschiedentlich behauptet wird, als liegende Acht aufzufassen. Sondern John Wallis (1616 – 1703), der es zuerst verwendete, entlehnte seine Form einem eleganten Zeichen für die Zahl 1000, das neben anderen in der römischen Kaiserzeit gebräuchlich war.
Gegenwartssprache und Redewendungen: In der deutschen Gegenwartssprache tritt die Acht in folgenden Redewendungen auf: die stählerne Acht (also Handschellen) anlegen; eine Acht (also eine achtförmige Bahn) auf dem Eis laufen; Bruckners Achte (also Bruckners 8. Sinfonie) hören; jemanden achtkantig (also demonstrativ oder endgültig) hinauswerfen. Auch erscheint die Acht in den Wortbildungen Achtelfinale (Ausscheidungsrunde der sechzehn Mannschaften, die sich in einem Meisterschaftswettbewerb qualifiziert haben), Achterbahn (Berg-und-Tal-Bahn mit mehreren Schleifen in Form einer Acht), Achterkreisen (gymnastische Übung, bei der mit Arm, Bein oder Rumpf eine achtförmige Bewegung ausgeführt wird), Achterlauf (Spielsystem im Hallenhandball zur Überwindung der gegnerischen Deckung), Achtkampf (ein aus vier Pflicht- und vier Kürübungen bestehender Wettkampf der Turnerinnen oder ein aus acht Einzeldisziplinen bestehender Wettkampf der Leichtathletinnen) und Achtstundentag (acht Stunden dauernder Arbeitstag).
Tiefenpsychologie: C. G. Jung fasste die Acht und ihre geometrischen Entsprechungen als Symbole der Ganzheit, der Totalität oder der Vollständigkeit auf. Als solche können sie aber in Träumen auch anzeigen, dass in gewissen Phasen und Situationen des Lebens für die träumende Person keine weiteren Möglichkeiten existieren.
Beispiel: Ein Träumer ging einen Weg entlang, der sich vor ihm im Undeutlichen verlor. Plötzlich war er von drei mal acht überlebensgroßen Basaltfiguren umringt, die drei Seiten eines Quadrates einnahmen und ihm den weiteren Weg versperrten. Nur zurück konnte er noch, was ihn in panische Angst versetzte und aufwachen ließ. In diesem Traum war ein längerer, als ausweglos empfundener Abschnitt seines 24. Lebensjahres vorausgeahnt.
Literatur: Standard, Brockhaus, Heinke (2006), Hopper (1938), Ifrah, G. (1986)
Autor: Fritzsche, B., Heinke, Ellen