Erlösung
Keyword: Erlösung
Links: Buddhismus, Christentum, Erleuchtung, Freiheit, Individuation
Definition: Erlösung meint im Wortsinn Befreiung eines Gebundenen, wobei die Vorsilbe -er das Moment des Lösens verstärkt.
Information: In Joh. 11, 44 liegt der seit vier Tagen tote Lazarus in seinem Grab, "an Händen und Füssen mit Binden umwickelt", und Jesus befiehlt den Umstehenden: "Machet ihn frei!" Erlösung ist Befreiung. Erlösung klingt feierlicher und wird eher im religiösen, Befreiung im konkreten Sinn verwendet."Ich weiß, dass mein Erlöser lebt" (Hi. 19, 25), ist dem Liebhaber klassischer Musik aus Händels Messias vertraut. Im christlichen Glauben erlöst Gott nicht als Vater, sondern als Sohn. Dies ist ein Symbol dafür, dass der psychische Prozess der Erlösung zum Bewusstsein (in "diese" Welt) kommt: Der Erlöser kommt aus dem Jenseits (dem Unbewussten) und inkarniert sich hienieden (dem psychischen Diesseits, dem Bewusstsein).
Von den großen archaisch-mythischen Religionen sind insbesondere Christentum und Buddhismus Erlöser-Religionen. Beide Erlöser, Buddha und Christus, werden in einer Jungfrau (Maria) gezeugt, welche selbst bei der Geburt der Erlöser Jungfrau bleibt. Buddha bringt Erlösung durch die Lehre, Christus durch die Tat. Durch sein Opferblut am Kreuz hat Christus die Menschheit von der schweren Bürde erlöst, die seit Urzeiten auf ihr lastete.
Das Unheil nahm seinen Anfang im Himmel: Der Engel Luzifer wurde zum Satan, indem er Gott seinen Gehorsam verweigerte; deswegen wurde er aus dem Himmel geworfen. Danach verführte er das Urelternpaar, Gottes Gebot zu übertreten. Weil dieses auf ihn hörte, wurde es aus dem Paradies geworfen. Der Fluch des Ungehorsams pflanzte sich als Erbsünde fort, welche Mensch und Gott trennte. Davon hat der Gottessohn die Menschheit durch sein Opfer am Kreuz erlöst, und die Kirche vermittelt die Erlösung durch ihre Sakramente. Damit wird die unheilvolle Abspaltung von Gott geheilt: "Ich in ihm und er in mir", verkündet die Liturgie vor der Communio. Darin spiegelt sich die Versöhnung zwischen Ich und Selbst, die nach der Erlösung wieder kommunizieren.
Im Buddhismus wird der Mensch von seiner primitiven Begehrlichkeit erlöst, von der Gier und dem Anhaften an diese Welt. Es geht auch hier um Erlösung des Ichs von "dieser" Welt, was zum Kontakt mit der "anderen" Welt führt, zum Eingang ins Nirwana, dem Verlöschen der Attraktivität "dieser" Welt.
Interpretation: Beiden Religionen liegt der Individuationsprozess in archaisch-mythischer Gestalt zugrunde. Dessen Ziel ist eine doppelte Erlösung: Freiheit von und Freiheit zu. In beiden Religionen geht es um beides: um Erlösung von der Gefangenschaft des Ichs aus der Seinsverschlossenheit sowie um Befreiung zur Gemeinschaft mit dem Selbst.
Literatur: Standard; Kaufmann, 2005, 2006
Autor: Kaufmann, Rolf