Automatismen, psychomotorische

Aus symbolonline.eu
Version vom 29. August 2015, 21:27 Uhr von de>Autor
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Keyword: Automatismen, psychomotorische

Links: Besessenheit, Geister, Komplex, Magie, Parapsychologie, Personifikation, Unbewusstes

Definition: Psychomotorische Automatismen sind Tätigkeiten wie Schreiben, Sprechen, Malen, Tanzen, Hand- und Fingerbewegungen, die von den betreffenden Personen als verselbstständigt und unabhängig von ihrem bewussten Wollen erlebt werden. Sie sind nach tiefenpsychologischer Auffassung Ausdruck halb- oder unbewusster psychischer Vorgänge (Komplex).

Information: psychomotorische Automatismen wurden insbesondere in spiritistischen Kreisen verwendet (Tischerücken, Gläserrücken, Pendeln, automatisches Schreiben und Sprechen etc.). Sie erzeugen bei ungeschulten Beobachtern leicht den Eindruck, in Kontakt mit jenseitigen Wesenheiten, z. B. Dämonen, Geistern Engeln getreten zu sein (vgl. Müller, 1980, S. 31f).

Schon 1812 hatte M. Chevreul nachgewiesen, dass die geheimnisvollen automatischen Bewegungen durch unbemerkte, minimale Muskelbewegungen des Armes und der Hand zu Stande kommen. Er zeigte auch, dass keine Bewegung z. B. eines Pendels eintrat, wenn das Pendel an einem unbeweglichen Ständer aufgehängt wurde. Der englische Physiologe W. B. Carpenter formulierte dann das ideomotorische Gesetz (Carpenter-Effekt), nach dem emotional vorgestellte oder wahrgenommene Bewegungen eine Tendenz auslösen, sie körperlich nachzuvollziehen (z. B. Fußbewegungen beim Anschauen eines Fußballspieles).

Psychische Störungen, die durch die unvorsichtige Beschäftigung mit okkulten Techniken entstanden sind, werden auch mediumistische Psychosen genannt.

Interpretation: Alle Objekte, Prozesse und Gestaltungen, die auf der Ebene des Fantasie-, Imaginations- und Traumbewusstseins in Erscheinung treten, können als bildhafter, symbolisierter, personifizierter Ausdruck unbewusster Komplexe und verschiedener Teilaspekte der Persönlichkeit und ihrer Autonomie verstanden werden. Je unbewusster Komplexe sind und je höher ihre energetische Aufladung ist (was insbesondere meist bei Schatten- und Eros-Aspekten der Fall ist), desto mehr erscheinen sie dem Ich-Bewusstsein als fremd und autonom.

In Fällen psychischer Störung, wie z. B. bei Phobien oder Zwangssymptomen, erlebt das Individuum solche Komplexreaktionen zwar als unverständlich, aber doch noch zur eigenen Persönlichkeit gehörend. Sind sie noch stärker abgespalten, werden sie projiziert (Projektion) und können den Charakter eines von außen kommenden, häufig bedrohlichen Wesens annehmen oder als Halluzinationen und Wahnvorstellungen erscheinen. Sie haben dann die Neigung sich zu personifizieren, d. h. in menschlicher, dämonischer oder tierhafter Gestalt aufzutreten, was mit der bild- und symbolerzeugenden Wirkungsweise der Psyche zusammenhängt.

Die psychomotorischen Automatismen lassen sich als die magischen Vorläufer (Hermetik Magie) der verschiedenen modernen psychotherapeutischen Methoden verstehen, in einen Dialog mit dem Unbewussten und seinen Komplexen zu treten (vgl. auch A-H-System Imagination, aktive).

Literatur: Müller, L. (1980); Müller, L. (1989)

Autor: Müller, Lutz