Antichrist
Keyword: Antichrist
Links: Apokalypse, Ende, Kosmos, Schatten, Teufel
Definition: Der Antichrist (Widerchrist, griech: gegen den von Gott Gesalbten und anstelle des von Gott Gesalbten) ist eine Figur der Apokalyptik und der urchristlichen Gemeinden.
Information: In der altorientalischen Mythologie finden sich Vorläufer als Widergott. In der Offenbarung des Neuen Testaments wird das apokalyptische Tier der Endzeit beschrieben (Offb. 13), das über die besondere Fähigkeit verfügt, Irrlehren zu verbreiten und die Menschen zu verführen, sodass sie vom rechten Glauben abfallen. Es könne, so wird gewarnt, ein Wesen kommen, das Christus und seinen Lehren zum Verwechseln ähnlich scheint und Anbetung fordert.
Zu Beginn des Christentums wurde der Begriff Antichrist geprägt, weil sich die verfolgten Christen bedroht und in Panik fühlten. Sie verteidigten sich, indem sie die eigene Sache idealisierten und den eigenen verteufelten Schatten auf den Antichrist z. B. in Gestalt des römischen Kaisers Nero projizierten. Im Hoch- und Spätmittelalter wurde die Vorstellung vom Antichrist von Päpsten zur Verteuflung von Gegnern eingesetzt, auch Luther verwendet den Begriff in diesem Sinn gegen das Papsttum mit seinem weltlichen Machtanspruch.
Unterschiedlichste religiöse Sekten, Endzeittheoretiker, Prediger und esoterische Bewegungen haben die Figur des Antichrist auch im 20. Jh. aufgenommen. Verbreitet ist auch, ihm die Zahl 666 zuzuordnen. Die 666 und das Endzeittier wurden im frühen 20. Jh. durch Antichrist Crowley, Magier und Okkultist populär. Er nannte sich selber: "The Great Beast" und verwendete die Zahl 666 als sein Zeichen. Crowleys Ideen zum Great Beast und der 666 kehren in verschiedenen satanistischen Bewegungen des 20. Jh. s wieder, u. a. in der sog."Satanischen Bibel" der satanischen Kirche. Sie gehen auf gnostische und andere okkulte, mystische Vorstellungen zurück, wie sie im jüdischen, christlichen und islamischen Kulturraum immer wieder als Unterströmung aufgetaucht sind. Die damit verbundene Vorstellung des Kampfes von Gut und Böse und eines Endzeitkampfes findet sich u. a. auch im Zoroastrismus und seinem dunklen Gottesaspekt Ahriman. Der Antichrist hat zudem Parallelen zum gnostischen Luzifer, dem Lichtbringer und zum Satan (hebr. Anfeinder, Gegner, Widersacher) des Alten Testaments, der im Auftrag Gottes eine Gegenposition übernehmen kann. Goethe gestaltet den Widersacher in Faust als Mephistopheles auf.
Dieser Antichrist oder Satan vertritt also die dunkle Seite Gottes, so wie Jung sie z. B. in "Antwort auf Hiob" und in seiner Beschäftigung mit dem Christusarchetyp in "Aion" ausgearbeitet hat. Pop-Musik, Gothic- und Black-Metal-Jugendsubkultur am Ende des 20. Jh. verwenden die 666 und den Namen "The Great Beast" wie auch andere okkulte, germanische und satanische Symbolik, z. B. als Name für Plattenalben satanischer Symbolik. Auch Horrorfilme und -romane arbeiten mit der Figur des Antichrist, der Zahl 666 sowie mit der Vorstellung von Apokalypse, Armageddon, Weltuntergang und der Faszination an solchen Szenarien als der Faszination am Bösen, an Untergang und Tod.
Interpretation: Tiefenpsychologisch kann der Antichrist als dämonisiertes und personifiziertes Schattensymbol verstanden werden, das nach außen projiziert wird. Nicht die eigene Unsicherheit, Zweifel und Irritierbarkeit, Triebhaftigkeit, sondern das Böse des Anderen wird gesehen. Mit satanistischen Elementen können depressiv-melancholische Menschen ihrer Depression, ihrem Weltschmerz- und Endzeitgefühl Ausdruck verleihen, oft ist die Verwendung von Symbolen aus diesem Umkreis Provokation gegen Dogmen und traditionelle Werte. Wo der Antichrist erscheint, steht das Individuum im Fokus des Interesses, nicht die Gesellschaft, Beziehung, Bindung und Verantwortung. Der einzelne Mensch wird zum Maß aller Dinge, als Antichrist oder Satan wird er zugleich zu Gott: Er gibt sich seine eigenen Gesetze. Meist geht es dabei um provokatives ungehemmtes und ekstatisches Ausleben von Trieb- und Schattenaspekten wie der Sexualität, die durch Berufung auf den Antichrist konfliktfrei möglich wird.
Literatur: Standard, Kaufmann (2006)
Autor: Kaufmann, Rolf