Drei: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 19. Oktober 2023, 16:51 Uhr
Keyword: Drei
Links: Dreieck, Dreieinigkeit, Mond, Mutter, Große, Zahl
Definition: Die Drei (ahd. t (h)ri) ist die kleinste ungerade Primzahl. Eine ganze Zahl ist durch 3 teilbar, wenn ihre Quersumme durch 3 teilbar ist.
Information: Die Drei ist eine so komplexe, einerseits geheimnisvolle, andererseits konkrete und Bewusstheit schaffende Zahl, dass man über sie allein ein ganzes Buch füllen könnte. Nicht von ungefähr wird sie deshalb auch die "heilige Drei" genannt. Ohne die Möglichkeit der Drei ist Dynamik nicht möglich. Dies ist sehr eindrucksvoll in zwei Menschen zu beobachten, die sich in eine Zweierbeziehung begeben, um ein Drittes zu erschaffen – was ihnen allerdings nicht bewusst sein muss. Die meisten Menschen fürchten sich vor der Einsamkeit, möchten mit einem anderen, möglichst gleich gesinnten Menschen zusammen sein. Doch die Zweierbeziehung allein bringt in der Regel nicht das ersehnte Glücksgefühl. Dies stellt sich erst ein, wenn durch die Zweierbeziehung, aus ihr heraus, ein Drittes erscheint. Bei einer jungen Frau und einem jungen Mann ist es das Kind, das geboren wird. Wenn ein Paar älter ist, Kinder nicht oder nicht mehr möglich sind, oder wenn es sich um ein gleichgeschlechtliches Paar handelt, wird erst eine gemeinsame Idee, eine Aufgabe, ein besonderes Hobby, ein - wie auch immer geartetes - Werk, also ein Drittes, das durch die Paarverbindung entsteht, den Sinn und die Erfüllung der Zweierbeziehung ausmachen. Dies ist gerade in Therapien, in denen es um eine schwierige oder unglückliche Zweierbeziehung geht, besonders zu beachten.
Dieses Phänomen kann man gut verstehen, wenn man bedenkt, wie wichtig die Drei zur Bewusstseinsbildung ist."Mit der Zwei tritt nämlich aus dem Einen die Eins hervor, welche nichts anderes bedeutet, als das durch die Spaltung geminderte und zur «Zahl» gewordene Eine. Das «Eine» und das «Andere» bilden einen Gegensatz, nicht aber Eins und Zwei, denn diese sind einfache Zahlen, welche sich nur durch ihren arithmetischen Wert und sonst durch nichts unterscheiden. Das «Eine» aber versucht sein Eines- und Alleinsein festzuhalten, während das «Andere» strebt, eben ein Anderes gegenüber dem Einen zu sein. Das Eine will das Andere nicht entlassen, weil es sonst seinen Charakter verlöre, und das Andere stößt sich vom Einen ab, um überhaupt zu bestehen. Insofern ergibt sich also zwischen dem Einen und dem Anderen eine Gegensatzspannung. Jede Gegensatzspannung aber drängt zu einem Ablauf, aus welchem das Dritte entsteht. Im Dritten löst sich die Spannung, indem das verlorene Eine wieder hervortritt. Das absolute Eine ist unzählbar, unbestimmbar und unerkennbar; erst wenn es in der Eins erscheint, wird es erkennbar, denn das zu diesen Akten erforderliche «Andere» fehlt im Zustand des Einen. Die Dreiheit ist also eine Entfaltung des Einen zur Erkennbarkeit. Drei ist das erkennbar gewordene «Eine», welches ohne die Auflösung in die Gegensätzlichkeit des «Einen» und des «Ändern» in einem jeglicher Bestimmbarkeit baren Zustand verblieben wäre. Die Drei erscheint daher in der Tat als ein passendes Synonym für einen Entwicklungsprozeß in der Zeit und bildet somit eine Parallele zur Selbstoffenbarung Gottes als des absoluten Einen in der Entfaltung der Drei." (Jung, GW 11, S. 132).
In der Dialektik erkennen wir, wie aus der Einseitigkeit einer These der Gegensatz der Antithese hervorgerufen wird und eine fast unerträgliche Spannung hervorrufen kann, die erst im gefundenen Dritten, der Synthese zur entspannenden Lösung kommen kann. Nur: Es bleibt nicht allzu lange bei der Synthese. Weil sie ja wiederum das eine und das Andere in sich beherbergt. Irgendwann müssen sich das Eine und das Andere trennen – denn sonst wären sie ja nicht das Eine und das Andere, sonst wären sie ja die Einheit, die allerdings allein in der Eins vorhanden, dort jedoch "unerkennbar und unbestimmbar" ist.
Um die Komplexität dieses Geschehens zu verdeutlichen, sei M.-L. von Franz zitiert, die einen entsprechenden Gedanken des französischen Sinologen Marcel Granet, der ein hervorragender Kenner des chinesischen Denkens war, aufgreift: "Die Einheit kann nicht Eins sein, weil sie das Ganze ist und weil sie sich von der Zwei nicht unterscheiden kann, denn in ihr resorbieren sich alle gegensätzlichen Aspekte, die sich bekämpfen und vereinigen, wie Links und Rechts, Hoch und Tief, Vorne und Hinten, Rund und Viereckig, das Ganze des Yang und das Ganze des Yin. Das alles zusammen, Einheit und Paar, wenn man diesem Ganzen einen zahlenmäßigen Ausdruck verleihen wollte, findet sich in allen Ungeraden wieder und zuerst in der Drei (= 1+2). Die Zahlenreihe beginnt also mit Drei." (von Franz, 1970, S. 100).
Interpretation: Nach diesem intellektuellen Verständnis, der logischen Folgerung des aufschließenden und vereinigenden Aspektes der Drei wenden wir uns, um die Drei in ihrer ganzen Fülle zu verstehen, dem jahrtausendealten Beobachten der Naturvorgänge zu, in dem die Drei ebenfalls eine zentrale Stelle einnahm.
Walker schreibt in ihrem Lexikon "Das geheime Wissen der Frauen": "Seit ältester Zeit stellten sich Menschen die Große Göttin als eine Trinität, eine 'Heilige Dreifaltigkeit' vor; sie lieferte das Vorbild aller nachfolgenden Trinitäten, seien sie weiblich, männlich oder gemischt. Im 7. Jahrtausend v. Chr. wurde in anatolischen Dörfern eine Göttin in ihren drei Aspekten verehrt – als eine junge Frau, eine gebärfähige Matrone und eine alte Frau. Dieser typischen Vereinigung von Jungfrau, Mutter und Greisin entsprachen in Indien Parvati–Durga–Uma (Kali); in Irland Ana-Babd-Macha (die Morrigan); in Griechenland Hebe-Hera-Hekate, die drei Moiren, die drei Gorgonen, die drei Grazien, die drei Horen usw. Bei den Wikingern erschien die dreifaltige Göttin in Gestalt der drei Nornen; bei den Römern als die Parzen oder Fortunen und bei den Druiden als Diana Triformis. Die dreigestaltige Göttin hatte nicht nur drei Gestalten: es gab deren hunderte." (Walker, 1993, S. 1104).
Und das ist auch kein Wunder, denn das, was die Menschen damals sahen, war das Werden des Menschen, nämlich das Geborenwerden aus dem Schoß der Mutter, wenn die Frau im gebärfähigen Alter war. Man rechnete 5 mal die Drei (die Fünf ist die nächste ungerade Zahl nach der Drei), also 15 bis zur Geschlechtsreife des Mädchens, dann das Doppelte der 15, also 30, welche den Höhepunkt der reifen Frau darstellte und dann noch einmal das doppelte der 30, also 60, welches Alter die Frau damals zur Greisin werden ließ.
Ebenso sahen die Menschen die drei Phasen des Mondes, der nachts den Himmel erleuchtete. Er symbolisierte in seinem ersten Drittel das junge Mädchen und entsprach der Farbe weiß, in seiner vollen Phase sahen sie in ihm die reife Frau und ordneten ihm die Farbe rot (Blut) zu, in seinem abnehmenden Drittel erschien für sie die alte Frau in der Farbe schwarz. Bis er wieder als schmale, aufgehende Sichel am Himmel erschien, waren 28 Tage vergangen, also die Zeit, die einem Menstruationszyklus der reifen Frau entsprach.
Hierher gehört auch das Dreieck als das Urbild allen Lebens, denn es war das Zeichen für die Vulva. Im alten Ägypten war es das hieroglyphische Zeichen für die Frau und im griechischen heiligen Alphabet bedeutete das Delta, das Dreieck, die Heilige Tür, die Vulva der All-Mutter Demeter."In diesem Zusammenhang sagten die Orientalen: 'Es ist das Ziel der Yantraverehrung, die Einheit mit der Mutter des Universums in ihrer Gestalt als Geist, Leben und Materie zu erlangen [...]. dies ist die Vorbereitung auf die yogische Vereinigung mit ihrer wahren Gestalt: dem reinen Bewusstsein [...]. Den Gnostikern bedeutete es 'kreativen Intellekt' ". (Walker, B. G., 1993, S. 175)
Sonne, Mond und die Venus – Isthar genannt – bildeten im alten Babylonien die große göttliche Trias.
Aus diesen zwei grundlegenden Sichtweisen der Drei, dem intellektuellen Denken und dem konkreten Beobachten, können alle weiteren Aspekte der Drei leicht nachvollzogen und verstanden werden. Zum Beispiel haben wir die Zahl Drei in der "Heiligen Familie" – Maria, Josef und das Jesuskind – verinnerlicht und wir kennen sie auch aus dem Rätsel, das die Sphinx allen Helden gestellt hat, welche die griechische Stadt Theben von ihrer Macht befreien wollten: "Es ist am Morgen vierfüßig, am Mittag zweifüßig, am Abend dreifüßig. Von allen Geschöpfen wechselt es allein mit der Zahl seiner Füße; aber eben wenn es die meisten Füße bewegt, sind Kraft und Schnelligkeit seiner Glieder ihm am geringsten." Nur Ödipus konnte die richtige Antwort geben: "Du meinst den Menschen, der am Morgen seines Lebens, solange er ein Kind ist, auf zwei Füßen und zwei Händen kriecht. Ist er stark geworden, geht er am Mittag seines Lebens auf zwei Füßen, am Lebensabend, als Greis, bedarf er der Stütze und nimmt den Stab als dritten Fuß zu Hilfe." (Nach Gustav Schwab, Sagen des klassischen Altertums.) Und in der Tat stellt sich der Mensch als ein "dreifaches Wesen" dar, denn wir unterscheiden bei ihm Körper, Seele, Geist und Fühlen, Wollen, Denken, wir kennen auch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; Anfang, Verlauf, Ende; klein, kleiner, am Kleinsten; Himmel, Erde, Hölle. Auch dem Aufbau des klassischen Dramas entspricht die Drei, wie z. B. Othello, Desdemona, Jago; oder dem ältesten uns bekannten Drama im ersten Testament mit Adam, Eva und der Schlange und später mit Jahwe, Kain und Abel.
Über die Zahlensymbolik im Kulturvergleich schreiben F. C. Endres und A. Schimmel: "Und wenn die mittelalterliche Alchemie von drei im Menschen wirkenden Stoffsymbolen spricht, so teilt die moderne Chemie die Stoffe in Säuren, Basen und Salze, und die Physik beruht auf den Beziehungen zwischen Masse, Kraft und Geschwindigkeit. Die Dreigliederung in Geist, Leib und Seele ist vom Hellenismus in die westliche und islamische Kultur übergegangen, und entsprechend dem Koran teilt der Sufismus die Seele ein in die 'zum Bösen anreizende', die 'tadelnde' und die 'zur Ruhe gelangte Seele'. Drei Eigenschaften (triguna) hat die Materie auch nach indischer philosophischer Anschauung in der Samkhya-Erlösungslehre: das sind tamas, radschas und sattva, das Finstere, Bewegte und Seiende. Doch die grundlegenden Werte der Fülle des einen Göttlichen waren in den jüngeren Upanishaden 'sat-cit-ananda, Sein, Denken und Wonne." (Endres, F. C., Schimmel A., 1992, S. 80).
Nun wundert es nicht mehr, dass in vielen Märchen die Zahl Drei auftaucht und dass schließlich und endlich "aller guten Dinge drei sind Drei."
Wann immer im therapeutischen Prozess die Drei auftaucht, sollte ein besonders aufmerksames Gewahrsein sie beleuchten, denn es handelt sich bei dieser Zahl sowohl um einen Ausgangspunkt zur starken Erweiterung des Bewusstseins, als auch zur Erkenntnis der wahren Herkunft: dem weiblichen Urschoß. Insofern stellt das Beachten und der Umgang mit der Zahl Drei einen hohen Anspruch an den Therapeuten oder die Therapeutin. Nie sollte das Auftauchen der Drei nur so nebenbei behandelt werden, denn in diesem Symbol öffnet sich das Wiedererkennen des Ursprünglichen und die Bereitschaft zur Annahme des Heiligen. Zum anderen sollte auch beachtet werden, dass die analytische oder therapeutische Situation selbst ein Dreierkontinuum darstellt: die beiden Personen, die sich in diesem Prozess begegnen und das Dritte, das latent stets vorhanden ist und darauf wartet, ins Bewusstsein eintreten zu können.
Literatur: Standard
Autor: Seifert, Ang Lee