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Aktuelle Version vom 19. Oktober 2023, 16:51 Uhr

Keyword: Feige

Links: Baum, Bios-Prinzip, Eros-Prinzip, Nahrung, Phallus, Vagina

Definition: Feige (lat."ficus", leitet sich vermutl. von "fik" und "suk", lat."sucum", franz."suc"- der Saft, das Saftige ab.)

Information: Die Feige, ein mediterraner Fruchtbaum, wurde von vielen Völkern als heiliger Baum verehrt. In der Antike galt der Feigenbaum als Symbol der Fruchtbarkeit, der Sinnenfreude, des Überflusses, des Reichtums und vielfältiger erotischer Aspekte. Er kam ursprünglich aus Kreta zu den Griechen, wo er seit homerischer Zeit gezüchtet wurde. Die essbaren Feigen gehören zu den frühesten Anbaufrüchten der Menschheit (seit ca. 5000 v. Chr.) Im antiken Griechenland spielte insbesondere die getrocknete Feige, die man zu allen Zeiten des Jahres essen konnte, eine wichtige Rolle in der Ernährung. Wie die Weintrauben galten die Früchte des Feigenbaumes als Attribute des griech. Rauschgottes Dionysos und des phallischen Gott Priapos, was von jeher verschiedene erotische Assoziationen nahe legte.

Plutarch beschreibt die Opfergaben an Dionysos: "Ein Krug Wein, eine Rebe, ein Bock, ein Korb voll Feigen, schließlich der Phallus." In Hellas trugen junge Mädchen am Fest des Dionysos getrocknete Feigen als Fruchtbarkeitssymbol.

Interpretation: Der Feigenbaum wurde als Vereinigung des männlichen und weiblichen Prinzips verstanden: Einerseits sahen die Griechen in der Frucht das Abbild des Hodensackes, was im griech. Verbum "sykazein"- "Feigen pflücken", aber auch "betasten, erkunden" der reifen Feigen und ihrer erotischen Analogien zum Ausdruck kommt.

Das Feigenblatt galt dem männlichen Geschlecht ebenfalls ähnlich und verkörpere das Prinzip der Feuchtigkeit und der Zeugung. Andererseits symbolisiert die geöffnete Feige das weibliche Geschlechtsteil, die Vulva (im Ital. hat das Wort "Fica" diese Bedeutung). Feigen wurden jedoch auch mit der weiblichen Brust in Verbindung gebracht als Baum "der vielen Brüste".

"Die Enthüllung der Feige" gehörte im alten Griechenland vermutlich zum Ritus der Einweihung in die Geheimnisse der Fruchtbarkeit, wie die "Enthüllung der Ähre" bei den eleusinischen Mysterien. Mit dem Begriff "Sykophant" (Enthüller der Feige) wurden in der Antike jedoch auch Denunzianten bezeichnet, die Geheimnisse publik machten, ursprünglich Feigen von den heiligen Bäumen stahlen oder außer Landes schmuggelten. Als Träger so zweideutiger Früchte wurde dem Feigenbaum eine hoch ambivalente Bedeutung zugemessen: Einerseits wurde er als unreines, unheilvolles Gewächs betrachtet. Als zufällig ein Feigenbaum beim Tempel der Göttin Dia, einer alten latinischen Feldgottheit wuchs, die später mit Ceres (Demeter) verschmolz, musste nicht nur der Baum ausgerissen, sondern auch der unrein gewordene Tempel abgerissen und schwere Sühne geleistet werden. Auch Menschen, die als Ungeheuer angesehen wurden und "gottlose" Bücher wurden in der Antike auf Scheiterhaufen aus Feigenbaumholz verbrannt.

Andererseits galt der Feigenbaum als Orakelbaum. In Rom verehrte man mehre heilige Feigenbäume. Da er in dem Ruf stand, die Blitze abzuhalten, wurde er in Rom häufig gepflanzt. Insbesondere galt er als der Baum, unter dem die ausgesetzten Zwillinge Romulus und Remus von einer Wölfin gesäugt wurden und so überleben konnten. Der Feigenbaum war der großen Ernährerin Juno heilig und wurde mit Milch (milchiger Saft des Feigenbaumes) und der Göttin des Säugens "Rumina" in Verbindung gebracht, galt jedoch auch als phallischer Baum, der dem Gott Mars geweiht war und dessen vermeintliche Milch als Sperma verstanden werden kann.

Aus seinem Holz wurden auch Phallen geschnitzt, die in Prozessionen mitgetragen wurden. Das Samenkorn eines Feigenbaumes war für die Gnostiker ein Urwesen, welches unendliche Möglichkeiten in sich enthält (Symbol des Selbst).

Dante stellte in seinem "Inferno" da, wie hoch geschätzt die Feige in Italien war. Der Feigenbaum ist ihm Metapher der menschlichen Entwicklung zum Guten, des Guten an sich. Ein Feigenbaum wird auch zum rettenden Baum, an dem Odysseus sich festhält, während sein Floß vom tosenden Strudel der Charybdis in die Tiefe gerissen wird. So hängt Odysseus am Feigenbaum über dem Abgrund des Todes, bis sein Floß wieder nach oben gespült wurde und er ans Ufer des paradiesischen Phäakenlandes geworfen wird.

Im Buddhismus wird der Feigenbaum (Bodhibaum) als Baum der Erkenntnis verehrt, da unter ihm Buddha die Erleuchtung empfangen habe. In Nepal nennt man ihn den Pipal und er verkörpert das männliche Prinzip. In hinduistischen Mythen wohnen Götter im Pipal, vor allem der elefantenköpfige Gott Ganesh, der Gott der Güte und Weisheit des Herzens. In der christlichen Symbolik ist oft der vertrocknete Feigenbaum dargestellt, der die Jesus nicht anerkennende Synagoge (das Judentum) oder die Irrlehre symbolisiere. Der fruchttragende Feigenbaum hingegen ist in der Bibel ein Element des sorglosen Lebens im Paradies. Die erste "Bekleidung" (Gürtel) des Urelternpaares Adam und Eva bestand aus Feigenblättern.

Im Südsee- Märchen "Der Feigenbaum" (von Beit, Bd. 1, S. 131) symbolisiert der Feigenbaum in Verbindung mit einer hexenhaften Alten Aspekte des Festhaltenden, Leben vernichtenden negativen Pol des Bios-Prinzips.

Die "Feige"- eine Handgebärde mit ambivalenter Bedeutung ist seit der Antike bekannt (geballte Faust, aus der der Daumen zwischen Mittel- und Zeigefinger dem Gegner entgegengestreckt wird) und wurde eindrucksvoll in einer Federzeichnung Albrecht-Dürers (1494, Albertina, Wien) dargestellt."Jemanden die Feige weisen oder zeigen", bedeutet einerseits eine obszöne Geste der Missachtung, Geringschätzung und Beleidigung (auch Wut, Hass und Zorn), andererseits die Verschränkung der männlichen und weiblichen Geschlechtsteile beim Koitus, die auch zwischen Mann und Frau als Verständigungsmittel diente, hinsichtlich des Wunsches nach geschlechtlicher Vereinigung.

Ein Feigenamulett als Anhänger diente von jeher als Schutzmittel gegen Unfruchtbarkeit."Eine Feige machen" – die Handgebärde, die verborgen in der Tasche gemacht wurde, galt jedoch auch seit der Antike zur Abwehr von Geistern und als Schutz vor den magischen Kräften von Hexen und Zauberern."Nicht einmal eine Feige wert sein", meint nichts wert, völlig bedeutungslos zu sein.

"Sich ein Feigenblatt umhängen, etwas als Feigenblatt benutzen" bedeutet vor anderen etwas zu verbergen. Im Umgangssprachlichen bedeutete "die Feige" gelegt. derb "Vagina", übertr. Weibsbild, bzw. Prostituierte."Mit der Feig`n hausieren" ist eine Wiener Redensart für sich prostituieren. Ein "Feig`ntandler" ist ein "Schürzenjäger" oder "Hurenbock"

Der Feigenbaum ist wie jeder Baum Symbol des großen Weiblich-Mütterlichen, der Materie der Welt, des unbewussten Wachstums und der geistigen Entwicklung als Leben spendendes wie auch Tod bringendes Prinzip. Mit seiner Üppigkeit der dichten, wohlgeformten Blättern und nahrhaften, süßen Früchten zog er, als Baum des Paradieses, der nur in der mediterranen Wärme wächst, jedoch seit dem Altertum vielfältige Projektionen auf sich in Zusammenhang mit Fruchtbarkeit, Lebenskraft, Geschlechtstrieb und verschiedener erotischer Aspekte. Im Feigenbaum vereinigen sich das männliche und weibliche Prinzip (das Feigenblatt als das männliche Geschlecht, die Frucht als Hodensack- die Frucht als die weibliche Geschlecht, Vulva oder als Brüste). Da alle wilden Feigen eine Lebensgemeinschaft (Symbiose) mit Feigenwespen haben, die die Befruchtung herbeiführen, kann die Feige auch als Symbol für das Zusammenleben zweier unterschiedlicher Wesen verstanden werden, die aufeinander angewiesen sind.

Literatur: Standard

Autor: Kuptz-Klimpel, Annette