Kakao: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 19. Oktober 2023, 16:51 Uhr

Keyword: Kakao, Schokolade

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Definition: Der Begriff Kakao, cacao in der Sprache der Mayas, cacauatl, d. h. Kakaokern bei den Atzteken, bezeichnet das aus den Bohnen des Kakaobaums gewonnene Pulver und zugleich das aus diesem Pulver hergestellte Getränk, das heiß und kalt genossen werden kann.

Information: Als Getränk zubereitet, wird der bittere Kakao bereits früh Schokolade genannt, abgeleitet aus chocolatl, Kakaotrank. Kakao ist wie Bier, Wein, Kaffee und Tee ein Jahrtausende altes Kulturgetränk. Im Hintergrund steht eine von den Menschen mit weltweit ähnlichen Verfahren erbrachte Kulturleistung, die auf der Nutzung der regionalen Naturprodukte beruht.

Nach seiner Entdeckung durch die Europäer zu Beginn des 16. Jh. ist Kakao neben Tee aus Asien und Kaffee aus dem Orient bis ins 19. Jh. ein anregendes Genussmittel und ein Luxusartikel der europäischen Adligen, des Klerus und der reichen Bürger geworden. Während Adel, Klerus und reiches Bürgertum seinem Genuss in ganz Europa frönen, beginnt schon im 17. Jh. die Diskussion um Nutzen und Schaden des Kakaos und der trinkbaren Schokolade für das Volk, die sich bis heute als Diskussion um Nutzen und Schaden der Schokolade fortsetzt. Nach dem Tod seiner Frau lässt Ludwig XIV den Kakaogenuss verbieten. Friedrich der Große, selber Schokoladentrinker, verbietet aus wirtschaftlichen Gründen den Import. Schokolade soll kein Volksgetränk werden, sondern Luxus bleiben. Früher hat schon der mit Kakao handelnde Jesuitenorden seinen Genuss verboten, kann das Verbot aber nicht aufrecht erhalten, weil die eigenen Mönche protestieren.

Der Kakaobaum wächst nur in den tropischen Regenwäldern um den Äquator herum und braucht einen nährstoffreichen Boden. Pflanzung, Ernte und Verarbeitung sind sehr aufwendig und waren deshalb lange Zeit Sklavenarbeit. Bis heute gehört Kakao wie Tee und Kaffee zu den Genussmitteln, die in der sogenannten 3. Welt zu Niedrigpreisen hergestellt, auf dem Weltmarkt verkauft und in der 1. und 2. Welt im Überfluss konsumiert werden können. Der bei uns billige Kakao- und Schokoladengenuss kann so für die negativen Folgen der Kolonialisierung stehen.

Anders als Tee und Kaffee ist Kakao neben einem belebenden Getränk zugleich eine reichhaltige Nahrung, bestehend aus pflanzlichem Fett, Stärke und Eiweiß, darüber hinaus einer Vielzahl von Mineralstoffen und Vitaminen. Die Süßung des Kakaos und seine Weiterverarbeitung zur Schokolade ist eine europäische Erfindung. Vermutlich ist Kakao ab etwa 1500 v. Chr. von den Olmeken in Mexiko, einer vorklassischen südamerikanischen Hochkultur, die unter anderem in Mathematik, Schrift und Nahrungszubereitung wichtige Kenntnisse erworben hatte, kultiviert worden, seit dem 6. Jh. n. Chr. von den Mayas. Die aus den Kakaobohnen gewonnene Kakaomasse wurde in Wasser gekocht, mit Gewürzen angereichert und als "bitteres Wasser" getrunken, wobei vermutlich durch mehrfaches Hin- und Herschütten in speziellen Kakao-Gefäßen die als besonders angenehm empfundene Schaumbildung erreicht wurde. Auch an den Fürstenhöfen Europas wird später auf die Schaumbildung Wert gelegt deswegen werden für den Genuss von Kakao besonders hohe Kannen und Tassen verwendet.

Der Kakaobaum, zur gleichen Gattung wie der Colabaum gehörend, ist eine empfindliche, bis zu 10 Meter hoch wachsenden Pflanze, die auf den Plantagen oft gegen Wind und Regen durch hochwachsende und genügsame "Mutterpflanzen” wie Bananen oder Kokospalmen geschützt wird und einen sehr nährstoffreichen Boden braucht. Die Früchte wachsen direkt aus dem alten Holz des Stammes, eine Besonderheit in der Pflanzenwelt. Die Verarbeitung der Bohnen zu Kakao bedarf vieler Arbeitsgänge, unter anderem des Aufbrechens der Bohnen, der mehrfachen Reinigung, der Fermentierung, des Trocknens, Röstens und des Mahlens. Bis 1815 wurde für die Trinkschokolade die gesamte Kakaomasse, also auch die Kakaobutter verwendet.

Kakao hat früh sowohl ökonomisch wie auch in Medizin, Ritual und Religion in Mittelamerika eine zentrale Rolle gespielt. Schon die Maya haben ein Schriftzeichen für Kakao entwickelt und spezielle Trinkgefäße und Grabgefäße für Kakao. Für die Azteken sind die Kakaobohnen heilige Speise der Götter und Grabbeigabe gewesen, Kakao diente, wie in Mittelmeerländern der Wein, als Symbol für Blut und für das Blut der Götter. Der wissenschaftliche Name lautet theobroma cacao (griech. theos: Gott; griech. broma: Speise), und Theobromin heißt der dem Koffein verwandte, in relativ hoher Dosierung in Kakao vorfindbare, anregend wirkende Inhaltsstoff. Kakaobohnen sind als so wertvoll eingestuft worden, dass sie als Zahlungsmittel gegolten haben, Tribut an den Kaiser war in Kakaobohnen abzuliefern, das Getränk durfte nur von Kaiser, Würdenträgern, Adel, Fernhandelskaufleuten und Kriegern genossen werden.

Die Indios haben die bittere Kakaomasse als Medizin bei Verwundungen verwendet. Die europäischen Mediziner der beginnenden Neuzeit ordneten Kakao als kalten und feuchten Saft ein, der gegen Fieber helfe. Kakaobutter ist heute u. a. Ausgangsstoff für Hautkosmetika. Die in Kakao enthaltene, bitter schmeckende Gerbsäure Tannin wird aufgrund ihrer zusammenziehenden und blutstillenden Wirkung in modernen Salben verwendet. Tannin wird in modernen ernährungswissenschaftlichen Studien über Rotwein und Bitterschokolade eine Herz und Arterien positiv beeinflussende gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt. Vor wenigen Jahren hat der in Kakao enthaltene Wirkstoff Anandamid zu Diskussionen geführt, weil er sich im Gehirn an die gleichen Rezeptoren bindet wie der Wirkstoff des Haschisch. Man schloss daraus, Schokolade rege die Produktion körpereigener Morphine an und sei ein natürlicher Glücksstoff.

Christoph Kolumbus lernt 1502 Kakaobohnen und Kakaogetränk als erster Europäer kennen, verabscheut aber beides aufgrund seines fremdartigen und bitteren Geschmacks und seines unappetitlichen Aussehens - Ziegendreck werden die Bohnen von ihm genannt. H. Cortez, für Spanien auf der Suche nach Gold in Mittelamerika, erkennt hingegen 1519 die nährende und leicht euphorisierende Wirkung des Kakao und seine Macht als Zahlungsmittel. Er sieht in ihm das "braune Gold" Mittelamerikas und behält es nach seinen Eroberungen als Währung bei. Noch wichtiger: Er sichert das Kakaomonopol für die spanisch-habsburgische Krone und lässt Plantagen im großen Stil bepflanzen.

Missionare experimentieren bald mit dem Geschmack des Kakaogetränkes und erkennen, dass es mit Rohrzucker gesüßt besser schmeckt. Durch diese Verwandlung schätzen auch die Ureinwohner und Einwanderer den Kakao mehr. Der habsburgische und spanische Kaiser Karl V oder aber sein Sohn Philipp II trinken als erste, so die Legende, in Europa Kakao, und von Spanien aus tritt er seinen Siegeszug über Europa und Nordamerika an. Die katholische Kirche erlaubt den wohlnährenden Kakao als Fastentrunk, an Spaniens Hof trifft man sich nachmittags zum Kakao wie anderswo zum Tee, auch Frauen lieben den immer süßer werdenden Kakao.

Im 17. Jh. gelingt es Engländern und Holländern, trotz dem spanisch-habsburgischen Monopol, Kakao in ihren asiatischen und afrikanischen Kolonien um den Äquator herum heimisch werden zu lassen. In Frankreich wird Kakao bald mit Milch und Zucker bereitet, bekommt den Beigeschmack von Luxus und "süßem Nichtstun" und den Ruf, ein Aphrodisiakum und Antidepressivum zu sein. Kardinal Richelieu und der spanischen Ehefrau von Ludwig XIV. wird nachgesagt, mit Kakao gegen ihre depressiven Stimmungen vorgegangen zu sein. Weitere Wirkweisen seien: Allzu viel Kakaogenuss führe dazu, dass Frauen Zwillinge oder dunkelhäutige Kinder gebären. Darüber hinaus sei Kakao bzw. Trinkschokolade nicht nur sinnliches Vergnügen, sondern vermöge, den Geist zu schärfen, weswegen Kakao zu den in Frankreich sich in politischen Clubs entwickelnden philosophischen Gesprächen gereicht wurde.

In Deutschland wurde er zunächst als Stärkungsmittel und Medizin in Apotheken gehandelt. Goethe und Schiller schätzten ihn als beflügelnd und inspirierend.

Ein Meilenstein auf dem Weg von der Kakaobohne zur Kakaomasse über das Kakaogetränk und flüssige Schokolade bis zur ersten Tafel Schokolade gelingt 1815 in Holland: Die beim Mahlen entstehende Kakaomasse kann getrennt werden in Kakaobutter und Kakaopulver. Aus der Butter kann nun die feste Schokolade entwickelt werden, aus Pulver und Milch wird die nun weniger fette Trinkschokolade hergestellt, darüber hinaus wird das Kakao-Pulver zum Backen und Aromatisieren von Speisen verwendet. In Österreich werden nun die unterschiedlichsten Schokoladenkuchen und -torten erfunden und ab der Mitte des 19. Jahrhunderts kommen die ersten Tafeln Schokolade in England in den Handel.

In der Schweiz geschehen schließlich die letzten Schritte zur Erzeugung der süßen und zart schmelzenden Milchschokolade: Kakaomasse, Zucker, Kakaobutter, Milch bzw. Milchpulver, Aromen und Zusätze werden vermischt, immer und immer feiner gewalzt, conchiert, geschmolzen, gereift, schließlich in Tafeln oder Formen gegossen, manchmal mit weiteren wertvollen Zutaten wie Mandeln, Nüssen, Rosinen. Die beiden Schweizer Erfinder des Mischens und Conchierens haben Schokoladenimperien gegründet, die bis heute für die Qualität ihrer Schokoladen bekannt sind.

Bis zum Jahr 2000 gab es für Schokolade ein strenges Reinheitsgebot, Hinweis darauf, dass es sich um ein traditionelles Produkt mit wertvollen Naturzutaten handelt.

Interpretation: Viele heutige Menschen verbinden seit ihrer Kindheit mit dem wie ein Kinderwort klingenden Kakao ein heißes Getränk, das Seelentrost bei Krankheit spendet, außerdem zu Kindergeburtstagen, für kalte Wintertage und warm-gemütliche Kuschelstunden und für einen wunderbaren Frühstückstrank gekocht wird. Die Zubereitung ist ein kleines Wunder der Verwandlung: Aus ein wenig dunklem, streng riechendem, gallebitterem Pulver wird mit Hilfe kochender Milch und Zucker im Handumdrehen ein angenehm aromatisch riechendes und warm dampfendes Getränk, das beim Trinken einen kleinen Schnurrbart hinterlässt und schon deshalb ein Lächeln mit sich bringt.

In Cafés steht Trinkschokolade in besonderen Tassen und schäumend oder mit Sahnehaube serviert, auf der Karte. In Spanien ist Schokolade ein traditionelles Frühstücksgetränk für alle geblieben. Mancher wird Kakao auch als kaltes Getränk in Erinnerung haben, das alternativ zur Schulmilch vom Hausmeister der Schule angeboten, Trost, Genuss und Stärkung in der Pause gewesen ist. Seit die Nahrungsmittelindustrie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Instant-Nahrung erfunden hat, gibt es Kakao als fertig gesüßte Mischung, die auch in kalter Milch aufgelöst werden kann und deshalb bei Kindern ein beliebtes alltägliches, süßes Frühstücksgetränk geworden ist, vor allem für all die, die morgens nicht so gerne etwas essen. So wird z. B. Kaba für viele heute Erwachsene zu einer nostalgischen Kindheitserinnerung, nicht nur als das erste deutsche Instant-Kakao-Produkt, sondern wurde zum Gattungsnamen für diese Getränke. Bekannt und beliebt wurde es auch wegen seiner Werbung mit Disney-Figuren. Kaba ist eine Zusammenziehung von Kakao- und Bananengetränk. Zudem ist Kabah eine in Mexiko befindliche Maya-Ruine. Ein Rest von "Schokoladen-Romantik" und Zuckerbäckerkunst ist auch auszumachen, wenn Schokolade in Form von Nikoläusen, Osterhasen, -küken, Marienkäfern u.v.m., in knisternden Stanniol oder moderne Folien verpackt, aus dem Nikolausstiefel oder dem Osternest schaut, kaum jemand ist ohne eine Erinnerung daran.

Die Assoziation von Luxus und Genuss, etwas Fremdartigem, von weither, aus einer anderen Welt kommend, haben das dunkle Kakaopulver, die trinkbare und essbare Schokolade bis heute behalten, obwohl Schokolade als Massenware und Kakao in Form von süßem Instant-Kakaopulver zu einem gewöhnlichen Lebensmittel und zu gewöhnlicher Süßware degradiert worden ist. Noch in den 50er und 60er Jahren der 20. Jh. ist die Werbung für diese Produkte verniedlichend manchmal mit dunkelhäutigen Menschen und Fantasiefiguren (z. B. einem orientalisch gekleideten sogenannten Mohren) in Verbindung gebracht worden. Die Kaba-Packungen waren mit einem Palmenlogo verziert.

Einige wenige Arten Kakaobohnen werden für den "Normalverbrauch" auf Plantagen vor allem in Afrika in großen Mengen hergestellt. Einige exquisitere Sorten, schwieriger zu handhaben, schwerer anzubauen, werden auch heute noch als teure Delikatesse und Statussymbol gehandelt und als Luxus verzehrt. Sie haben - wie etwa Champagner oder Rotweine Namen und Jahrgang - und werden zu sehr teuren, meist eher bitter schmeckenden Produkten verarbeitet. Sie haben aufgrund ihrer Herkunft und Geschichte, ihres vollaromatischen Geschmacks und ihrer natürlichen Inhaltsstoffe einen spezifischen Flair und Wert gegenüber all den anderen bonbonfarbenen Süßigkeiten, die im Supermarktregal sonst noch zu finden sind.

Schokolade oder mit Schokolade hergestellte Pralinen und Cremes wie die berühmte Mousse au Chocolat haben nicht nur einen hohen Fett- und Zuckergehalt und damit einen hohen Nährwert, sondern durch Geschmack und Konsistenz auch einen hohen, oft augenzwinkernd akzeptierten Verführungsgrad. Sie erscheinen häufig gerade zu als Sinnbild für menschliche Schwäche und für Versuchungssituationen ("Die süßeste Versuchung seit es Schokolade gibt", lautet ein bekannt gewordener Satz aus der Schokoladenwerbung). Schokolade ist "kleine" oder "süße Sünde" und ein "kleines" oder "süßes Laster" und nicht wenige Menschen bezeichnen sich in diesem Sinne als schokoladensüchtig. In diesem Sinne weiß auch der Volksmund: Um jemanden für sich einzunehmen und ihn positiv einzustimmen, zeigt man ihm verführerisch "seine Schokoladenseite”.

Wenn Schokolade, ähnlich dem Likör oder anderen Alkoholika, zum offenen oder heimlichen Tröster wird und zur verpönten Ersatzbefriedigung, dann wird sie als teuflische Verführung gebrandmarkt. Seit in den Wohlstandsgesellschaften Westeuropas und Amerikas Schokolade als Massenware und immer griffbereit zur Verfügung steht, seit die Essstörungen auf dem Vormarsch sind und seit Beginn der Schlankheits-, Fitness- und Gesundheitswellen, ist Schokolade deswegen auch in Verruf gekommen, wie viele andere Genussmitteln auch.

Eine rasch einsetzende Gegenbewegung gegen die Verteufelung des Kakao und der Schokolade betont seit den 80iger Jahren wieder die anregenden und stimulierenden natürlichen Inhaltsstoffe, proklamiert Kakao und Schokolade als gesundes und vollwertiges Nahrungsmittel, das nirgends fehlen darf, wo es um besondere körperliche oder geistige Leistung geht, propagiert auch die allgemein gesundheitsfördernde und antidepressive Wirkung. Im Jahr 2000 kommt mit einigem Erfolg ein liebevoll witziger Film namens Chocolat mit J. Binoche und H. Grant ins Kino, in dem Schokolade wieder gepriesen wird. Vorausgesetzt, sie ist sorgfältig und traditionell, mit südamerikanisch-zauberischen Mitteln zubereitet, wirkt sie in einem kleinen französischen Dorf der 60er Jahre als eine magische, Konflikte lösende, erotische, befreiende, glücksbringende Substanz.

Trotz der positiven Besetzung gibt es einige eher negative, aber insgesamt doch eher harmlos klingende Redewendungen, die assoziativ mit der braunen Farbe des Kakaos arbeiten sowie mit dem Klang des Kinderwortes, das nahe am Lall- und Kinderwort Kaka für Kacke (Ausscheidung, Kot) ist. Durch den Kakao gezogen zu werden z. B. bedeutet, dass über jemanden hergezogen wird.

Literatur: Standard

Autor: Müller, Anette