Waage: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 19. Oktober 2023, 16:52 Uhr
Keyword: Waage
Links: Tierkreiszeichen, Weg, Gleichgewicht
Definition: Die Balkenwaage, lat. libra (librare = im Gleichgewicht, schwebend halten, schwingen) ist das um eine Mittelachse symmetrisch zwischen zwei Polen sich Bewegende, Schwingende. Auf zwei Schalen verteilt (lat. bilanx, engl. balance = „zwei Schalen besitzend“) werden Gewicht und Gegengewicht (fig.: These und Antithese) in „Balance“ gebracht.
Information: Volksetymologisch spielt ballare = tanzen (Seiltanz) mit herein, was wiederum auf subtile Beweglichkeit und Ausgleich zwischen gegensätzlichen Anziehungen der Gegensatzpole hinweist und deren Auspendeln um einen Ruhe- und Mittelpunkt. In Ägypten ist die Waage Attribut der Ma'at, Gottheit der Weltordnung und des rechten Maßes, welche die Seelen der Verstorbenen wägt, nachdem diese unter Führung des Anubis oder Thoth (entspricht gr. Hermes Psychopompos) die Unterwelt durchquert haben. In der Johannes-Apokalypse wird die Rolle der Ma'at vom Erzengel Michael übernommen. Die Waage in seiner Hand taucht bildnerisch erstmalig in kappadokischen Höhlenkirchen auf. Als Symbol kosmischer oder irdischer gut ausbalancierter Harmonie (gr. armonía = das gut Gefügte) ist die Waage in allen Hochkulturen ein Sinnbild von Gerechtigkeit, Weisheit, Wahrheit, Gesetz und sozialer Ordnung. Letztere kommt durch unparteiische Urteilsfähigkeit und Unvoreingenommenheit zustande, durch rationales Abwägen, welches das emotionale Gefühlsurteil überwunden hat. Das Tierkreiszeichen Waage wurde erst im 3. Jh. als selbstständiges Zeichen eingeführt, als Dike, die himmlische Gerechtigkeit schon als abwägendes menschliches Urteil in das rationale Denken eingezogen war. Zuvor hatte man die Sterngruppe als Scheren des Skorpion gesehen. Somit spiegelt die Waage eine menschheitsgeschichtlich wichtige Bewusstseinsdifferenzierung. Im Mittelalter wird die Waage, die im Zodiak das einzige Artefakt ist, noch bisweilen der Jungfrau in die Hand gegeben, was die Kulturbedingtheit jeglichen Ordnungssystems betont, die Kunst des Halt-, Rahmen- und Sinngebens und die Relativität aller Setzungen, die zwischen himmlischem Ideal und irdischer Verhältnismäßigkeit in der Schwebe gehalten werden müssen. Die Augenbinde der wägenden Justitia, einer Allegorie der jungfräulichen (s. d.) Gerechtigkeit, die in der weltlich richtenden Dike der Antike wurzelt, kam als Attribut erst im 16. Jh. hinzu. Sie ist mehrschichtig deutbar: Zunächst wohl als Kritik an den juristischen Verhältnissen gedacht, kann sie auch als Versuch, aus der „inneren Mitte “ heraus zur Wahrheit zu finden, gelten. Außerdem des unvoreingenommenen (= „jungfräulichen“) Urteils, ungetrübt auch durch subjektive Einstellung, und eingedenk dessen, dass irdische Gerechtigkeitsordnung eine Teil-Übersicht gegenüber einem ursprünglich gegebenen großenteils unbewussten Ganzen ist. Das Urteil entsteht auf der bewussten Basis der Verhältnismäßigkeit und kann nicht „richtig“ im Sinne eines Absoluten sein, sondern nur in eine bestehende Ordnung wieder einrichten. Die Waage ist ein Instrument des „Sowohl-als-auch“, das um Beziehungsfindung sich bewegen und schwingen muss.
Interpretation: Auf der Ebene seelischer Vorgänge bedeutet die Waage sowohl Entscheidungsfindung auf dem Weg (etym. mit Waage verwandt) des einfühlenden Hin und Her zwischen den Gegebenheiten (was Zeit braucht), als auch die Fähigkeit, etwas in der Schwebe halten, aushalten können bis zum richtigen Zeitpunkt, auch ein Gewicht, eine Last balancieren zu können. Indische Wasserträger tragen zwei schwere Eimer, indem sie sich eine Stange wie ein Joch über die Schultern legen. Die Ausgewogenheit der Gewichte hält sie im Lot. Insofern der menschliche Körperbau symmetrisch ist und sich um die Mittelachse des aufrechten Rückgrats im Gleichgewicht hält, ist die Waage auch ein Symbol des zwischen den Gegensätzen ausgespannten Menschen, dem Kreuz verwandt (in einem Tierkreis des 12. Jh. in Vienne / Rhône ist zwischen waagehaltender Jungfrau und Skorpion ein Kreuz gesetzt mit den Initialen A und O).
In Traum und Imagination kann das Bild einer Waage dazu auffordern, zwischen Körper und Geist, Gefühl und Verstand, Natur und Kultur Beziehung und Ausgleich zu schaffen. Störungen des Gleichgewichtssinnes rufen Schwindel, d. h. Orientierungsverlust hervor. Die Balkenwaage ist weitgehend aus der alltagsweltlichen Anschauung verschwunden zugunsten linear quantifizierenden Wiege- und Maßsystemen. Das Denken in Beziehungen weicht dadurch immer mehr segmentierter Aufrechnung und Aufspaltung ohne Bezug auf ein integrales Zentrum. Als lebensweltlich-körperliche Erlebnismöglichkeiten finden sich immerhin noch Wippen und Schaukeln auf Spielplätzen, letztere im Altertum stark symbolhaltig.
Die WAAGE in der Astrologie ist das 7. Zeichen im Jahreslauf. Nicht die Ich-Durchsetzung steht nun an erster Stelle (wie im Widder-Zeichen gegenüber), sondern die einfühlende Hinwendung zum Du, zum Mitgeschöpf, zur Welt, die nicht als Objekt erscheint, sondern als Gegenüber, mit dem man in Beziehung treten möchte in Geben und Nehmen. Der zugehörige Planet ist Venus, und zwar in ihrer Form als „Venus Urania“, welche soziale und geistige Austausch-Beziehungen ermöglicht. Das Element ist Luft, die Qualität kardinal (impulsgebend). Die Mischung aus „kardinal-männlicher“ Impulsqualität und „venusisch-weiblicher“ Beziehungsfähigkeit zeigt die Waage als Zeichen des Logos, dessen Archetypus der Androgyn ist. Allgemeine Grundprinzipien sind Begegnung, sozialer Impuls, kommunikative Vernunft, ästhetische Anregung, harmonisches Fügen, Ausgewogenheit. Die Instinktnatur sucht Erotik ohne Triebschwere, Verbindung und Ergänzung. Das seelische Bedürfnis ist auf Verstehen und Entdeckung der geistigen Kreativität gerichtet, auf Kultivierung, Vermittlung, Gemeinsamkeit und Übereinstimmung von Inhalt und Form. Die Handlungsart ist diplomatisch, abwägend, kompromissbereit. Schatten: Geringe Gegenstandshaftung, Wurzellosigkeit, Unterschätzung der erdarchetypischen Triebsphäre, Ausweichen vor Schwierigkeiten und Entscheidungen.
Literatur: Standard
Autor: Romankiewicz, Brigitte