Sprache: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 19. Oktober 2023, 16:51 Uhr

Keyword: Sprache

Links: Alphabet, Bewusstsein, Buchstabe, Logos-Prinzip, Mund, Wort, Zunge

Definition: Sprache (ahd. spraha, vielleicht ursprünglich lautmalendes Wort verwandt mit schwedisch spraka: knistern, prasseln; Hinweis auf Verwandtschaft von Feuer und Sprache) ist natürlich erlerntes umfassendstes Ausdrucks- und Kommunikationsmittel des Menschen und das differenzierteste Werkzeug seines Intellekts und Geistes.

Information: Sprache ist im engeren Sinne 1. ein natürliches, vereinbartes, strukturiertes, regelhaftes, zugleich ständig sich entwickelndes und veränderndes System von Zeichen; 2. die Fähigkeit, sich in diesem System von Zeichen und Symbolen auszudrücken, mitzuteilen und zu verstehen. Neben die Wortsprache treten Sprachen im weiteren Sinn: Gebärdensprachen, Computersprachen, Sprache des Körpers, der Musik etc.

Interpretation: Sprache symbolisiert artspezifisch menschliches Sein und ist von Bewusstsein und Wissen ebenso wenig zu trennen wie vom schöpferischen Unbewussten und dem Unbekannten. Mythen betrachten Sprache als göttlich oder heilig und lassen die Schöpfung aus ihr entstehen. Mit "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort" beginnt das Johannes-Evangelium des Neuen Testaments. Der Mythos vom Turmbau zu Babel geht von der verlorenen Ursprache aus; heilige Sprachen wie Sanskrit sind Priestern und Gelehrten offenbart worden. Ihre Analyse offenbart das Wunder des Göttlichen. Sprache ist nicht nur Zeichen, sondern Symbol und Symbolsprache, abstrakt und konkret, körperlich, emotional und geistig, Ausdruck des Selbst und kollektiven Unbewussten ebenso wie Ausdruck des Ich und des kollektiven Bewusstseins. Sprache ist zugleich zugleich Werkzeug des Tuns, Handelns und Erkennens, der Beziehung und Kommunikation. Profan ausgedrückt ist Sprache genetisch verankerte Fähigkeit zur sozialen, emotionalen und geistigen Mitteilung und Vermittlung, zur Welterfahrung und -bemächtigung und zur Bewusstseinsgewinnung. Sprache spiegelt Affekte, Emotionen und Bewusstseins- und Denkakte und beeinflusst sie zugleich.

Sprachbeherrschung und -verwendung steht für eine komplexe Ich-Leistung, in der motorisches und feinmotorisches, emotionales, soziales, kulturelles und geistiges Reifen und Lernen zusammenfließen. Sie bedarf der Vermittlung des Sprachcodes, in seinen inhaltlichen Aspekten der Wortbedeutung und -verwendung, entwickelt sich aber nur durch Aktivität, Handeln, Erfahren, die Fähigkeit zur Vorstellung und zur Symbolisierung, durch den Kontakt mit der Welt, durch bezogenes Sprechen, Erkennen, Verstehen und Verstandenwerden.

Zur Lauterzeugung wird die Motorik seit den ersten Lebensmonaten aktiv und spontan, zugleich bezogen auf die Laute der sozialisierenden Umwelt, trainiert. Auf Lauterzeugung des Kindes reagiert die Umwelt spontan. Laute und Lautkombinationen werden allmählich zielgerichtet zur Mitteilung und zur Einflussnahme auf die Umwelt eingesetzt und formen sich Worten und Sprechakten. Erlernen von Sprache und Sprechen ist nicht zu trennen von Entwicklung der Libido, von Expansion, Macht, Bemächtigung, Aggression und Kreativität, von Ich-, Bewusstseins- und Autonomieentwicklung, auch nicht von geistiger und psychischer Anpassung und Sozialisiation. Die frühen sensumotorischen Lallmonologe, aus denen sich Worte entwickeln, die gezielt eingesetzt werden, um die Um- und Mitwelt zu manipulieren und zu erfassen, bezeichnet C. G. Jung als rhythmische Tätigkeit, mit der die emotionalen Kräfte, die Libido, am Mund gesammelt wird, um in die Ich-Entwicklung zu fließen.

C. G. Jung und E. Neumann zeigen die relevanten archetypisch-symbolischen Verbindungen von Nahrung und Verdauung mit Bewusstsein und Sprache, ebenso zwischen Feuer, Feuerbeherrschung, -bereitung und -nutzung und Licht (Symbole der Libido, des Helden, des Logos) mit Mund und Sprache. "Spucks aus", sagt der Volksmund, wenn man zögert, etwas zu sagen. Man hält eine flammende Rede, Rufe feuern an, Feuer frisst und verzehrt. Aus dem Wort entsteht die Schöpfung, das Pfingstwunder verbindet Feuer, Geist, Logos, Wort, Sprache und Verkündung.

Sprache trifft anfangs auf das passive Individuum als Ton, Klang, Umhüllung. Ansprache, Körper- und Symbolsprache beginnen früh, denn Augen, Herz und Taten sprechen Bände. Sprache ist Muttersprache, emotional-bindende und strukturierend-geistige Mutterwelt, die die Eigenaktivität des Kindes vorantreibt. Sprache tröstet, beruhigt, verbindet, vermittelt, unterstützt, verstärkt, betont, dringt ein, später fordert, verbietet und droht sie: "Wir sprechen uns noch!". Im Streit ist man schlecht auf jemanden zu sprechen.

Lautstärke, Tonfall, Mimik und Gestik, Sprachbilder und Redensarten, Ironie, Verschleierung, Lüge müssen im Laufe der Ich-, Denk- und Sprachentwicklung dechiffriert werden, um aktive sprachliche und soziale Kompetenz zu erlangen. Gute Sprachentwicklung gekoppelt mit gutem Selbstvertrauen und guter Denkfunktion befähigt, etwas zur Sprache zu bringen, eine deutliche Sprache bzw. "Klartext" zu reden. Die gleiche Sprache sprechen, also den gleichen Sprachcode zu verwenden, sich auf eine Gemeinschaft und deren konventionelle Sprachzeichen zu beziehen, heißt zugleich symbolisch, sich tiefer miteinander in Einklang zu wissen, die Welt ähnlich zu sehen. Eine andere Sprache sprechen, weist hingegen auf Disharmonie und Missverständnis: Man kommt aus zwei Welten. Wenn mit Jemandem keine gemeinsame Sprache zu finden ist, ist eine Situation nicht lösbar. In sozialen Gruppen schafft Sprache Identität, Gemeinschaft, Heimat (Fachsprache, Dialekt, Slang). Nationale Minderheiten kämpfen für ihr Recht auf Muttersprache. Schattenseiten des Menschseins werden in Gossensprache formuliert.

Das komplexe System Sprache ist leicht irritierbar: Emotional bewegt, verliert man die Sprache, es verschlägt einem die Sprache. Ein gravierender Störfaktor für gesunde emotionale, intellektuelle und sprachliche Entwicklung des Kindes ist, wenn nonverbaler Beziehungsaspekt und verbaler Inhaltsaspekt von Gesagtem bei den Bezugspersonen stark differieren und wenn Sprache als unterdrückendes, verängstigendes, bedrohliches, erpresserische Macht-, Herrschafts- und Gewaltmittel eingesetzt wird. So kann man nicht mit der Sprache herausrücken, so kann die Sprache nicht frei fließen, und es entstehen Sprachstörungen (z. B. Stottern, Mutismus).

Literatur: Standard

Autor: Müller, Anette