Sophia: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 19. Oktober 2023, 16:51 Uhr
Keyword: Sophia
Links: Gottesbild, Logos-Prinzip
Definition: Sophia ist ein griechische Wort und bedeutet Weisheit. Im Hebräischen: Chochma.
Information: Siehe unter Interpretation.
Interpretation: In der Zeit des Hellenismus Symbolfigur für Erkennen der Welt und ihrer Gesetze. Philosophen sind Freunde der Weisheit. In der jüdischen Weisheitsliteratur tritt sie auf als öffentliche Rednerin, die für sich wirbt, vor Frau Torheit warnt und ihren Anhängern ein gutes Leben verspricht. Sie stellt sich vor als geboren vor der Schöpfung, als Freundin oder Geliebte des Schöpfers oder als junges Mädchen, das auf dem Erdenkreis tanzt und ihre Freude hat an den Menschen. Sie gilt als Urlicht der Schöpfung, als Energie, die alles durchdringt und erhält. Sie erscheint als Lebensbaum, der Menschen einlädt, von ihren Früchten zu kosten. Hinter ihrem Rat steht die Weisheit der Natur. Wer ihren Rat ausschlägt, handelt sich Tod und Verderben ein. In der jüdischen Mystik ist sie kaum zu unterscheiden von der Schechina, (wörtlich: Einwohnung Gottes), die ebenfalls als weibliche Gestalt beschrieben wird. Gott selbst kleidete sie in ein Gewand, das mit Edelsteinen besetzt ist. Sie nistete als Taube auf den Zinnen des Tempels, begleitete die Juden aber auch ins Exil.
In der Gnosis wird Sophia gespalten in eine untere und eine obere Sophia. Die eine sei mit der Schöpfung gefallen, die andere leite zur Erkenntnis. Eine mythische Überlieferung erzählt, Sophia sei von den Weisen und Gebildeten verlacht worden und habe sich daher in den Himmel zurückgezogen, wo sie Herrin der Engel ist. Sie werde aber wiederkehren oder einen Gesandten schicken. Dann werde sie zu den Ungebildeten und Kindern reden, die sie besser verstehen würden.
Im frühen Christentum wurde Jesus offenbar als Sprecher und Gesandter der Sophia verstanden. Bei der Taufe ließ sie sich auf ihm nieder, wohnte in ihm als Taube. Die Hagia Sophia in Konstantinopel ist eine Sophia- und Christuskirche in einem. Die Ostkirche verehrt neben Christus auch die Sophia, auf Ikonen eine thronende weibliche Gestalt in rotem Gewand mit Flügeln. Sie entwickelte auch eine eigene Lehre von der Himmlischen Weisheit, die im Westen unbekannt blieb. In Westeuropa ist die Verehrung Sophias durch die Verehrung Marias als der Himmelskönigin verdrängt worden. Beide Gestalten wurden so verschmolzen, dass Sophia unsichtbar wurde. Nur wenige mittelalterliche Darstellungen zeigen Sophia als alma mater, die Professoren mit ihrer Milch nährt, oder die sieben Säulen des Tempels der Weisheit. Seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ist Sophia von feministischen Frauen in Westeuropa und den USA wieder entdeckt worden als weibliche Alternative zum patriarchal geprägten Gottesbild. Durch sie sind das Leben und die Natur als von göttlicher Liebe und Energie durchdrungen zu begreifen. Und durch Sophia braucht der Erkenntniswille des Menschen nicht länger als Aufruhr gegen Gott verstanden zu werden, er ist im Gegenteil eine Gabe der Weisheit, allerdings setzt er Ehrfurcht voraus. Im Prolog des Johannesevangeliums, von der Logos-Philosophie inspiriert, kann Logos (deutsch: das Wort) auch als Sophia gedeutet werden. Durch Sophia wird die kosmische Bedeutung des Christus wieder sichtbar.
Das Aufkommen der Sophia zur Zeit des Hellenismus kann als Wiederkehr der orientalischen Göttinnen der Frühzeit verstanden werden. Sie fordert keine Opfer und Kulte, ist aber wie sie Symbol den Kosmos. Gestirne, Meere und Berge, Pflanzen und Tiere werden von ihr hervorgebracht und erhalten. Sie personifiziert die Weisheit der Natur und verleiht dem Menschen Erkenntnisfähigkeit, wenn er sich ihr mit Ehrfurcht nähert. Im Unterschied zu den meisten archaischen Göttinnen wird Sophia vor allem durch die Sonne symbolisiert und damit als Licht und Klarheit.
Alle Religionen der Erde kennen eine weibliche göttliche Gestalt, die die Weisheit der Natur personifiziert. Sie wird auch als Mutter Natur oder als Anima mundi verstanden. In jedem Fall ist sie Symbol für das Staunen und einen ehrfürchtigen Umgang des Menschen mit seiner Mitwelt. Überlieferte Visionen schildern Sophia als lichte, schöne, ehrfurchtgebietende Gestalt. In Träumen und Imaginationen heutiger Frauen erscheint anstelle einer lichten göttlich-weiblichen Gestalt, wie sie etwa Hildegard von Bingen sah, eher eine schwarz gewandete, trauernde Mutter Natur, die außerordentlich numinos wirkt. Man könnte dies als Ausdruck der Umwelt- und Innenweltzerstörung von Natur, Leib und Seele in der Gegenwart deuten.
Literatur: Standard
Autor: Wöller, Hildegunde