Geige: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 19. Oktober 2023, 16:51 Uhr

Keyword: Geige

Links: Emotion, Eros-Prinzip, Musik, Seele

Definition: Eine Geige ist ein hell klingendes Streichinstrument meist aus verschiedenen Hölzern mit vier in Quinten gestimmten Saiten. Der Ton wird durch den Geigenbogen, einem mit Ross- oder Kunsthaaren bespannten Stab aus elastischem Hartholz, mit dem die Saiten der Geige gestrichen werden, hervorgebracht.

Information: „Die Geige ist vermutlich die teuflischste Erfindung, auf die der Mensch je verfallen ist, eine herrliche, aber zugleich auch trügerische Schöpfung handwerklicher Kunst. Wir, sofern wir Geiger sind, müssen uns auf die unverwechselbaren Eigenschaften einer jeden Geige einlassen und können nur hoffen, dass sie so gnädig ist, uns wiederum in unserer Einzigartigkeit hinzunehmen!" (Ruggiero Ricci in: M. Campbell, 1982). Man kann die Geige als einen Höhepunkt menschlichen Erfindungsgeistes bezeichnen. Die handwerkliche Kunst des Geigenbaus nahm mit den großen, berühmten Geigenbauern aus der Cremoneser Schule Mitte des 16. Jahrhunderts ihren Anfang und erreichte zugleich ihren Höhepunkt und ihre Vollendung. Man denke an Antonio Stradivari (1644-1732) oder auch an Giuseppe Guarneri (geb. 1683). Der letztere wurde berühmt unter dem Namen „del Gesu", weil er seine Geigen mit dem Buchstaben IHS (Jesus Hominum Salvator) bezeichnete. Vorgängerin der Geigen im Mittelalter war die Fiedel. Mit ihr wurde vor allem zum Tanz aufgespielt und wer bei solchen Anlässen aufspielte, galt als ebenso wenig ehrbar wie sein Instrument.

Die Herkunft des Wortes Geige für das entsprechende Saiteninstrument ist nicht sicher geklärt. Erst seit dem 12. Jahrhundert tritt "giga" im deutschen Sprachbereich auf und verdrängt das ältere Wort "Fiedel", das heute einen abwertenden Nebensinn hat.

Zur Geige gehört selbstverständlich, dass sie nicht nur in ihrer kunsthandwerklichen Schönheit bewundert wird, sie muss zum Klingen gebracht werden. Und somit gehören Geige und Geigenspieler zusammen. Viele Stradivaris des "Goldenen Zeitalters" führen die Namen ihrer ehemaligen Besitzer. Die "Viotti" von 1709 z. B. hat der italienische Virtuose und Komponist Giovanni Battista Viotti bis zu seinem Tode von 1709 gespielt. Große Interpreten von Joseph Joachim über David Oistrach bis hin zu Milstein, Perlman oder Vengerov bevorzugen gleichfalls Instrumente des großen Meisters.

Eine der legendärsten Gestalten des Geigenspiels ist sicherlich Nicolo Paganini (1782-1840). Er gilt als Prototyp des exzentrischen Genies, wurde sowohl als "göttlicher" Geiger als auch als Teufelsgeiger angesehen. Die Schwester des Dichters Shelley schrieb einer Freundin nach einem Paganini-Konzert: "Sein Ungestüm, seine vergeistigte Gestalt, sein verzückter Blick und die Töne, die er auf seiner Violine hervorbringt – alles das ist nicht von dieser Welt". (M. Campbell, S. 57). Er war ein Virtuose, wie es im Buch steht, hat auch entsprechend komponiert und es gibt noch heute Leute, die über ihn die Nase rümpfen. Aber –wie ein berühmter Geiger einmal sagte: "die einzigen Geiger, die Paganini abtun, sind die, die ihn nicht spielen können." (M. Cambell, S. 59).

Eine weitere berühmte Legende betrifft die Entstehung der sogenannten "Teufelstriller-Sonate" von Giuseppe Tartini (1692-1770). Diese Sonate ist neben der g-Moll Sonate "Didone abbandonata" das einzige Werk Tartinis, das heute noch öfters gespielt wird. Zur Entstehung der sogenannten Teufelstriller Sonate soll Tartini folgendes erzählt haben: Es heißt, er habe im Traum dem Teufel seine Seele verkauft, worauf dieser ihm die Geige entriss und ihm die herrlichste Sonate vorgespielt haben soll, die sich denken ließ. Als Tartini erwachte, versuchte er, einige der gehörten Töne nieder zu schreiben. Aber vergebens. Das Stück, das er schließlich komponierte, die "Teufelssonate", war, wie er sich ausdrückt "zwar das beste, was ich jemals schrieb, blieb aber weit hinter dem zurück, was ich vom Teufel gehört hatte."

Eine weitere Geigengeschichte im Zusammenhang mit dem Teufel ist die "Geschichte vom Soldaten" (Text von Ferdinand Ramuz, Musik von Igor Strawinsky). Sie beruht auf einer in Szene gesetzten Moritat. Es geht darum, dass ein in Urlaub befindlicher Soldat auf Drängen des Teufels seine Geige gegen ein Buch austauscht, dessen Besitz ihm großen Reichtum verspricht. Für drei Tage muss er den Teufel im Geigenspiel unterrichten, dann lässt er ihn ziehen. Der Soldat hat unwissend dem Teufel seine "Seele" verkauft zum Preis - wie es sich zeigen wird - von großem materiellen Reichtum, aber vollständiger seelischer Entfremdung (er kennt niemanden mehr in seinem Heimatdorf und wird nicht mehr erkannt).

Interpretation: Dies weist deutlich darauf hin, dass Geige und Geigenspiel meist ein Symbol darstellt für „Seele" in ihren verschiedensten Ausdrucksformen und Gefühlslagen. So vermitteln z. B. die Werke für Sologeige von J. S. Bach den Zugang zu tiefster religiöser Geistigkeit. Andererseits hat die Romantik des Geigenspiels der Zigeuner, mit ihrem Sentiment und ihren temperamentvollen Csàrdàs-Klängen, Eingang gefunden in populäre Operetten. So singt z. B. die "Gräfin Mariza" in der gleichnamigen Kàlmàn-Operette: "Höre ich Zigeunergeigen - bei des Cymbals wildem Lauf, wird es mir ums Herz so eigen - wachen alle Wünsche auf." In einer anderen Operette "hängt der Himmel voller Geigen."

Der berühmte Geigenvirtuose Ruggiero Ricci betont, dass Geigenspiel, vor allem auf dem Podium, etwas teuflisch schwieriges ist, und fragt: Warum machen wir trotzdem immer weiter? Er gibt sich die Antwort: "Die Genugtuung, die wir empfinden, wenn wir die Menschen in ihrem Innersten bewegen und zu Tränen rühren, wiegt die ungezählten Stunden auf, die wir damit verbringen, zu exerzieren, bis wir Blasen an den Fingern haben." (R. Ricci, in M. Campbell S. 10).

"Die erste Geige zu spielen" meint umgangssprachlich, eine führende Rolle einzunehmen, "tonangebend" zu sein, wohingegen die zweite Geige zu spielen entsprechend eine untergeordnete Rangordnung meint.

Geige und Geigenspiel (wie auch andere Musikinstrumente) können direkt selber auch als ein Symbol für das Symbolverständnis in der Analytischen Psychologie angesehen werden. So schreibt C. G Jung, dass Symbole nur "Anspielungen" sind. Sie weisen zu etwas hin - nämlich "zu jenen dunklen Horizonten, hinter denen das Geheimnis des Seins verborgen ist." (Jung, Brief an Miss Oakes, 11. II. 1956. Briefe III, Olten: Walter 1956)

Literatur: Standard; Jung, C. G. (1956): Brief an Miss Oakes, 11. II. 1956. Briefe III, Olten: Walter

Autor: Jacoby, Mario