Abendmahl

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Keyword: Abendmahl

Links: Abend, Brot, Christus, Wein

Definition: Bezeichnung für die in zwei neutestamentlichen Traditionen (Matthäus / Markus und Lukas / Paulus) überlieferte Abschiedsfeier Jesu mit seinen Jüngern.

Information: Das Abendmahls-Wort des historischen Jesus könnte etwa so gelautet haben: "Dies ist mein Leib, der für viele hingegeben wird, dieser Becher ist der neue Bund in meinem Blut." Die schriftlich nieder gelegten Formulierungen sind sehr alt und stammen aus einer frühen, bald nach dem Tod Jesu einsetzenden liturgischen Praxis. Die Abendmahls-Berichte sind also einerseits Kult-Ätiologien (z. B. 1. Korinther 11. 23). Andererseits stellen sie biografisch-testamentarische Berichte mit Anklängen an den jüdischen Pessah-Ritus dar.

In den verschiedenen im Lauf der Kirchengeschichte entstandenen Begriffen Abendmahl, Messe / Messopfer, Eucharistie (griech.: Danksagung als Entsprechung des hebräischen berakah: Segen) spiegelt sich der für die Symbolgeschichte des Abendlandes zentrale neuzeitliche Abendmahlsstreit.

Interpretation: Beginnend mit der Reformation im 16. Jahrhundert wurde zwischen der Reformation und der übrigen lateinischen Kirche, aber auch innerhalb der Reformation, darüber gestritten, ob und wie in der Feier des Abendmahls Jesus Christus mit Leib und Blut "real" präsent ist (Luther und die Katholiken), möglicherweise auch nach der Feier, wenn die Gestalten (meistens nur das Brot) aufbewahrt oder den Kranken gebracht werden. Die Alternativposition besagt, dass diese Präsenz nicht "real", sondern "nur" symbolisch ist (Zwingli).

Die Gegenüberstellung "Real"präsenz vs. "nur" symbolische Präsenz Jesu in der Feier des Abendmahls deutet auf eine Krise des abendländischen Symbolverständnisses hin, die viel tiefer reicht, als die – theologische allerdings bedeutsame – Einzelfrage.

Im Gegensatz zum lateinischen Westen hat die ostkirchliche Theologie immer einen starken Symbolbegriff vertreten: Das Symbol ist keineswegs weniger "real" als die umgebende Wirklichkeit, sondern "realer", weil es auf eine tiefere Wirklichkeit verweist und im Falle des eucharistischen Handelns die irdische mit der himmlischen Liturgie verknüpft. Ähnlich wie bei der Weihe des Priesters geschieht Wandlung nicht aus eigener Macht, sondern durch spirituelle Öffnung im Ritus der empfangenden und leeren, über Brot und Wein ausgebreiteten Hände (gr. Epiklese).

Das gebrochene Brot, an dem die Jünger Jesus erkennen, der sich den Augen entzieht (Lukas 24, 31), wird von den griechischen Kirchenvätern symbolon genannt. Jung knüpft mit seinem Begriff des lebendigen Symbols an diese Tradition an. Er greift auch die Interpretation des Abendmahls als "Opfer" auf – scheinbar unbekümmert von der reformatorischen Kritik und deren Bemühen, das Abendmahl in erster Linie biblisch und gerade nicht in religionsgeschichtlichen Anklängen zu begründen (Jung, GW 11, § 390).

Aus Sicht der Analytischen Psychologie ist das Sakrament des Abendmahls das die Ich-Selbst-Beziehung konstellierende Symbol. Denn das eucharistische Mysterium verwandelt "die Seele des empirischen Menschen, der nur ein Teil seiner selbst ist, in ihre Ganzheit, die durch Christus ausgedrückt ist. Man kann daher in diesem Sinne die Messe als Ritus des Individuationsprozesses bezeichnen" (Jung, GW 11, § 414). In seiner Arbeit über das Wandlungssymbol in der Messe weist Jung auf den paradoxen Umstand hin, dass die christliche Kirche das Mysterium zur öffentlichen Veranstaltung machte, das Innerste nach Außen kehrte, indem sie die Messe in allgemein zugänglichen Räumen zu feiern begann. Im Gegensatz hierzu waren in Eleusis, in der Mithrasreligion und bei anderen Mysterienkulten nur geprüfte Initianden zugelassen.

Der westeuropäische Abendmahlsstreit "reale" vs. "nur" symbolische Präsenz greift uralte religionsgeschichtliche Parallelen auf: einerseits das Communio-Mahl, in dem die Gottheit "kannibalistisch" inkorporiert wird, andererseits das Convivium, das Gemeinschaft unter den Feiernden stiftet, indem ein Teil des Opfers / der Mahlzeit an den Gott übergeben wird. D. W. Winnicott interpretierte die inkorporierende und die "nur symbolische" Sicht des Abendmahls als zwei Weisen des religiösen Umgangs mit dem Übergangsbereich. Beiden gegensätzlichen Sichtweisen liegt die Dynamik des zerstörerisch-aggressiven Objekt-Gebrauchs zugrunde (Hopkins 2001). Indem die Elemente des Abendmahls durch Essen und Trinken vernichtet werden, entsteht das Symbol des Leibes Christi: "Euer Mysterium liegt dort auf dem Altar. [...] ] Seid, was ihr seht, und nehmt in euch auf, was ihr seid." (Augustinus, Predigt 272)

Literatur: im Text

Autor: Frick, Eckhard